Hoher Gewinn: Ryanair fliegt gegen den Trend

(c) AP (Virginia Mayo)
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Die irische Billigfluglinie dürfte heuer die einzige große europäische Luftlinie mit Passagier- und Gewinnzuwachs sein. Die Ryanair erhöht ihren Quartalsgewinn, muss aber ihre Jahresprognose zurücknehmen.

Dublin/London. In der alten Sowjetunion war es normal, dass Gemüsehändler aus Aserbaidschan am Morgen nach Moskau flogen, ihre begehrte Mangelware mit Profit in der Hauptstadt absetzten und am Abend nach Baku zurückflogen. Fliegen kostete praktisch nichts, dafür hatte man Überbuchungen, Chaos am Schalter und feindseliges Airline-Personal in Kauf zu nehmen. Regelmäßig soll es vorgekommen sein, dass Passagiere im Stehen fliegen mussten.

Wer hätte gedacht, dass die sowjetischen „Helden der Luftfahrt“ einst dem internationalen Flugbetrieb die Zukunft weisen würden? Unlängst befragte die Billigfluglinie Ryanair ihre Kunden, ob sie für Gratistickets auf Kurzstrecken Stehplätze akzeptieren würden (siehe Internethinweis). „Vertikales Sitzen“ wurde das genannt– die kommunistische Propaganda wäre stolz auf diesen Einfall irischer Turbokapitalisten gewesen.

Jede Menge Extrakosten

Durch einen gnadenlosen Preiswettkampf ist Ryanair mittlerweile zur drittgrößten europäischen Luftlinie nach Passagierzahlen aufgestiegen. 320 Flugzeuge hat die irische Gesellschaft, mit denen sie vorwiegend Flughäfen abseits der Metropolen bedient, wo die Tarife günstiger sind. Kunden werden mit sensationellen Billigtarifen angelockt, zu denen so manche Extrakosten kommen: für Buchungen, Kreditkarten, Extragepäck, Bordverpflegung – es gibt (fast) nichts, bei dem Ryanair nicht zusätzlich kassiert und dabei seine Gäste demütigt: Sogar über eine WC-Gebühr dachte Fluglinienchef Michael O'Leary laut nach.

Nur die Luft in den üblicherweise ausgebuchten Maschinen ist vorerst (noch?) gratis. „Was mit einem 30-Pfund-Ticket pro Person begann, endete mit einer Rechnung von 400 Pfund“, berichtet eine Reisende.

Dem Ungemach konnte man bisher entgehen, indem man mit der Konkurrenz flog. Die wichtige Nachricht für Flugreisende ist, dass Ryanair möglicherweise das Modell der Zukunft ist. Während British Airways den Markt kürzlich mit einem Jahresverlust von 401 Mio. Pfund schockte und nach Angaben ihres Chefs Willie Walsh „ums Überleben kämpft“, legte Ryanair am Montag einen unerwartet hohen Gewinn für das erste Quartal 2009 von 134,6 Millionen Euro vor. In den nächsten Tagen werden andere Luftlinien wie Lufthansa oder Air France-KLM ihre Zahlen präsentieren: Analysten gehen von Rückgängen aus.

Ryanair führt den Gewinn auf gesunkene Treibstoffpreise und Kostensenkungen zurück. Durch Preisreduktionen habe man zudem Marktanteile gewinnen und die Auslastung erhöhen können. Diesen Kurs will man fortsetzen. „Wir haben erst zehn Prozent des Gesamtmarkts in Europa, da gibt es noch Spielraum, durch Preissenkungen weiterzuwachsen“, sagte Ryanair-Vize Michael Cawley bei der Vorstellung der Ergebnisse.

Gewohnt zuversichtlich gab sich Boss O'Leary: „Ryanair wird dieses Jahr die einzige große europäische Luftlinie mit Passagier- und Gewinnzuwachs sein.“ O'Leary ist freilich nicht nur ein knallharter Chef, der Billigarbeitskräfte aus ganz Europa beschäftigt, sondern auch ein begnadeter Marketingmann. Denn Ryanair erwartet heuer einen Jahresgewinn „am unteren Ende der Spanne zwischen 200 Mio. und 300 Mio. Euro“. Das ist weniger als erwartet. Die Börse reagierte geschockt, in Dublin verlor die Aktie kräftig.

Selbst O'Leary musste einräumen: „Es fällt uns derzeit schwer, mehr als zwei Monate vorauszusehen, wie sich der Markt entwickelt.“ Für den Winter werden 24 Strecken von Dublin und London-Stansted gestrichen, 2500 Arbeitsplätze sind damit in Gefahr.

Während O'Leary hohe Landegebühren verantwortlich macht, sehen Beobachter ein tiefer liegendes Problem: Die Luftlinie ist besonders in Irland und Großbritannien stark – Länder, die sehr stark von der Rezession betroffen sind. Doch viele Briten und Iren sehen ihren Billigflug als Geburtsrecht an, für das man in traditioneller Geduld alle Unbill in Kauf nimmt.

Wettlauf zu den Sitzplätzen

So bilden sich in London-Stansted schon im Morgengrauen endlose Schlangen gut gelaunter Menschen. Jene, die kein Onlineticket haben, müssen sich zum Schalter durchkämpfen. Wer mehr als ein Gepäckstück hat, wird verhört, als hätte er ein Attentat geplant. Dann folgt die Sicherheitsschleuse und schließlich der Wettlauf zu den Sitzplätzen, die nicht zugeordnet, sondern von den Passagieren erkämpft werden. Vielleicht erklärt das, warum 66 Prozent sagen, sie wären einverstanden mit „vertikalem Sitzen“.

AUF EINEN BLICK

www.ryanair.com/site/LV/news.php?yr=09&month=jul&story=gen-en-090709).Während viele Airlines ums Überleben kämpfen, konnte der irische Billigflieger Ryanair mit einem unerwartet hohen Gewinn aufwarten. Das Geheimnis dieses Erfolgs: Die Fluglinie lockt mit niedrigen Preisen, spart aber Kosten, wo es nur geht: Fast alles kostet die Passagiere extra. Künftig soll es gar Stehplätze geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2009)

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