Flüchtlinge: Österreich nimmt sich Kanada zum Vorbild

Members of the Sikh community congregate around food tables during Khalsa Day festivities in front of city hall in Toronto
Members of the Sikh community congregate around food tables during Khalsa Day festivities in front of city hall in TorontoREUTERS
  • Drucken

In kaum einem anderen Land gibt es eine so erfolgreiche Einwanderungspolitik wie in Kanada. Dort bekommen Migranten einen Inländer als Mentor zur Seite gestellt. Die Wirtschaftskammer setzt auf ein ähnliches Modell.

Wien/Toronto. Wer in der kanadischen Metropole Toronto mit der U-Bahn fährt, wird Menschen aus aller Welt begegnen. Von den 2,6 Millionen Einwohnern in Toronto ist rund die Hälfte nicht in Kanada geboren. Trotzdem konnten sich viele Zuwanderer relativ gut integrieren. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die kanadische Regierung legt beispielsweise fest, wie viele Menschen aufgenommen werden. Im Vorjahr wurde die Quote von 265.000 auf 285.000 Personen erhöht. Ein bestimmter Teil ist für Flüchtlinge und für den Zuzug von Familienangehörigen reserviert. Zudem hat Kanada im Vorjahr ein neues System eingeführt, mit dem qualifizierte Zuwanderer leichter in das Land gelangen können.

Wichtig dafür sind gute Sprachkenntnisse. Außerdem sollen die Einwanderer den Erfordernissen des kanadischen Arbeitsmarkts und der Wirtschaft entsprechen.

Mentoren unterstützen Zuwanderer

Auf Wunsch bekommen Zuwanderer kanadische Familien oder Einzelpersonen als Mentoren zur Seite gestellt. Diese begleiten die Neuankommenden bei Behördengängen und helfen bei der Jobsuche. Auch das Erlernen der Sprache und der Besuch von Veranstaltungen gehört zum Programm. Damit soll eine Ghettobildung unter Einwanderern verhindert werden. Viele Kanadier stellen sich freiwillig als Mentoren zur Verfügung.

Eine Wirtschaftskammer-Delegation lernte dieses System während eines Aufenthalts in Kanada kennen. Sie war so begeistert, dass man in Österreich das Programm Mentoring für MigrantInnen einführte. Neben der Wirtschaftskammer machen dabei der Integrationsfonds und das Arbeitsmarktservice mit.

Das nächste Mentoring-Programm soll im September starten. Bewerbungen werden demnächst entgegengenommen. Die Migranten und Flüchtlinge müssen aber spezielle Voraussetzungen mitbringen wie einen Lehrabschluss, eine Matura oder eine höhere Ausbildung. Erforderlich sind weiters ein unbeschränkter Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, ein dauerhafter Aufenthaltstitel sowie gute Deutschkenntnisse.

Programm mit hoher Erfolgsquote

Jeder Migrant bekommt von der Wirtschaftskammer einen ehrenamtlichen Mentor zur Seite gestellt. Diese sollen die Kompetenzen und Potenziale der Flüchtlinge erkennen und anschließend helfen, auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nachhaltig Fuß zu fassen. Besonders für international tätige Firmen kann die Teilnahme sinnvoll sein. So gibt es Unternehmen, die beispielsweise für die Expansion in den arabischen Raum Mitarbeiter mit arabischen Sprachkenntnissen suchen. Die Mentoringpartnerschaft dauert sechs Monate. Die Migranten treffen sich mit ihren Mentoren durchschnittlich fünf Stunden pro Monat.

Die Erfolgsquote ist hoch. Beim Mentoring-Programm 2015/16, das gerade beendet wurde, nahmen österreichweit 229 Migranten teil. Von ihnen konnten bereits 43 Prozent während des sechsmonatigen Durchgangs in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Damit gehört das Programm zu den Best-Practice-Beispielen, wie Integration gelingen kann.

Wirtschaftskammer-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser spricht von einer „Win-Win-Situation“. Mit diesem Programm können die Unternehmen leichter Fachkräfte finden. Denn trotz hoher Arbeitslosigkeit gibt es in vielen Branchen und Regionen einen Fachkräftemangel. „Ein großes Problem der nun zu uns geflohenen Menschen ist das völlige Fehlen von persönlichen Netzwerken in Österreich“, klagt Johannes Kopf, Vorstand beim Arbeitsmarktservice. Hier können die Mentoren weiterhelfen.

Allerdings ist das Programm ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das Mentoring für MigrantInnen richtet sich unter anderem an gut ausgebildete Zuwanderer mit guten Deutschkenntnissen. Ein flächendeckendes Mentoring-Programm wie in Kanada, an dem auch schlecht qualifizierte Flüchtlinge teilnehmen können, gibt es in Österreich in dieser Form nicht, obwohl Experten dies für sinnvoll halten. Zuletzt lag bei Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft die Arbeitslosenquote bei 13,9 Prozent. Bei Österreichern ist die Quote mit 8,3 Prozent deutlich niedriger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.