Die Falken sind wieder da

A guard walks in front of a Federal Reserve image before press conference in Washington
A guard walks in front of a Federal Reserve image before press conference in Washington(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
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Wird die Fed ihre Zinsen schon im Juni wieder anheben? Einige Notenbanker wünschen sich das. Aber werden sie vor der Brexit-Abstimmung wirklich einen Zinsschritt wagen?

Washington/Wien. Wird die Federal Reserve die Leitzinsen schon im Juni weiter anheben? Nach der Veröffentlichung der jüngsten Fed-Sitzungsprotokolle, in denen sich Hinweise in diese Richtung finden, stehen die Chancen darauf wieder besser – und die Märkte haben mit einer Talfahrt reagiert. Denn höhere Zinsen bedeuten teureres Geld – und einige Notenbanker haben am Donnerstag weiteres Öl ins Feuer gegossen.

Börsen und Gold auf Talfahrt

So sagte John Williams, der Chef der Federal Reserve von San Francisco in einem Interview mit dem „Wall Street Journal“: „Ich glaube, dass die Daten einen guten Grund geben, die Zinsen in den nächsten Meetings anzuheben.“ Dass es schon im Juni so weit sein könnte, wollte Williams nicht ausschließen. Seit Dezember befindet sich der Leitzinssatz der Fed bei 0,25 und 0,5 Prozent. Davor herrschten in den USA infolge der Finanzkrise jahrelang Nullzinsen.

Unterstützung für die Falken in der Fed (also jene Mitglieder des Direktoriums, die eher früher als später die Zinsen anheben wollen) ist am Donnerstag auch von Notenbanker Jeffrey M. Lacker (Richmond Fed) gekommen. Die Märkte hätten die Fed zuletzt missverstanden, so Lacker. Sie hätten überschätzt, wie lang die Fed bereit wäre, Zinsschritte weiter hinauszuzögern. „Es gibt gute Gründe, die Zinsen im Juni zu erhöhen“, so Lacker. Die Kommentare schickten sowohl die US-Aktienmärkte als auch die Alternativwährung Gold auf eine Talfahrt. Ist der Zinsschritt im Juni also beschlossene Sache?

Die Überraschung ist weg

Nicht so schnell. Am 23. Juni, also erst nach dem nächsten Fed-Meeting, stimmen die Briten über Verbleib in oder Ausstieg aus der EU ab. Das ist einer der Gründe, warum ein Fed-Zinsschritt weiterhin als extrem unwahrscheinlich einzustufen ist. Denn niemand kennt die Auswirkungen eines möglichen Brexit – genauso wie niemand die Auswirkungen kennt, sollte Großbritannien in der EU bleiben. Deshalb werden sich die globalen Notenbanken, die Fed eingeschlossen, wohl hüten, die Unsicherheit an den Märkten noch weiter anzufeuern. Einzig der Überraschungsmoment würde dafür sprechen – aber dieser ist nach den heutigen Kommentaren auch nicht mehr komplett gegeben.

Dass die Märkte trotzdem reagiert haben, ist kein Wunder. Immerhin muss die Fed die Zinsen weiter anheben. Ob sie dies nun im Juni oder Juli tut, ist langfristig eher unerheblich. Aber wenn sie die Inflation, die sich derzeit noch unter zwei Prozent befindet, zu hoch steigen lässt, dann müsste sie die Zinsen in der Folge sehr rasch anheben – was zu Verwerfungen führen könnte, wie Notenbanker John Williams am Donnerstag gewarnt hat.

„Auf einem guten Weg“

Er sieht die US-Wirtschaft grundsätzlich positiv und teilt nicht die Befürchtungen vieler Marktbeobachter, die in den USA eine neue Krise aufziehen sehen. Williams sagte, er sei „nicht besorgt“ über das Wachstum in den USA. Er konzentriere sich auf die globale Wirtschaft, weil „dort die Risken liegen“. Denn die niedrige Inflation sowie die Geldpolitik in anderen Weltgegenden (etwa Europa) können Druck auf die US-Inflationsrate ausüben. Diese sei aber ohnehin niedrig, da der Dollar derzeit stark sei und der Ölpreis niedrig.

Williams sieht den Weg der Fed trotzdem als richtig. „Wenn wir auf diesem guten Weg bleiben, dann wäre es für mich keine Überraschung, wenn wir heuer zwei- bis dreimal die Zinsen anheben könnten.“ Aber am Donnerstag kamen aus den USA auch neue, enttäuschende Jobdaten – das Schicksal der US-Leitzinsen bleibt also weiter offen. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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