Die Trans-Adria-Pipeline und der Verkauf des Hafens von Piräus an China machen Athen zum europäischen Verkehrsknotenpunkt. Nun hofft das Land auf noch mehr Investitionen.
Wenn Griechenlands Politiker ihrem Land in der Vergangenheit eine „Schlüsselposition“ auf internationalen Verkehrswegen und in Energienetzen zugewiesen haben, hatte das mit der harten Realität wenig zu tun. Doch das hat sich geändert: Der Startschuss für den Bau des griechischen Teils der Trans-Adria-Pipeline im Mai und der Verkauf des Hafens von Piräus an die chinesische Cosco im April haben Athen tatsächlich zu einem Knotenpunkt mit wachsender geopolitischer Bedeutung gemacht.
Die Trans-Adria-Pipeline (TAP) bildet den europäischen Abschnitt des sogenannten südlichen Gaskorridors, der den EU-Markt an die aserbaidschanischen Erdgasquellen anbinden soll. Wichtig für Europa ist das Projekt vor allem, weil es die Abhängigkeit von russischem Erdgas verringern soll. TAP wird von der türkisch-griechischen Grenze durch Nordgriechenland nach Albanien und anschließend unter dem Adriatischen Meer nach Italien führen. Ab 2020 soll die Pipeline in Europa etwa sieben Millionen Konsumenten bedienen. TAP wird in einem Zeitraum von fünf Jahren an die 2,3 Milliarden Euro in Griechenland investieren. Außerdem hofft Athen auf den Bau sekundärer Leitungen in Richtung Balkan.
Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass das aserbaidschanische Energieunternehmen Socar, Miteigentümer von TAP, sich für den Betreiber des griechischen Erdgasnetzes, Desfa, interessierte – bereits 2013 erhielt der Konzern den Zuschlag für den Erwerb von 66 Prozent der Anteile. Bevor Geld in die griechische Privatisierungskasse fließt, muss allerdings eine Einigung über die Ausweitung der Inhaberstruktur gefunden werden: Nach EU-Vorschriften können Netzbetreiber und Netzinhaber nicht ident sein – deshalb muss Socar nun Teile des Aktienpaketes wieder abgeben. Ein Erfolg für Athen ist die Anfang April abgeschlossene Vergabe von 67 Prozent der Anteile des Hafens von Piräus für 40 Jahre an den chinesischen Frachtgiganten Cosco. Griechenlands Premier, Alexis Tsipras vom Linksbündnis Syriza, war persönlich bei der Vertragsunterzeichnung und erzählte den Anwesenden, dass er nun einen „Wachstumsschub“ für Griechenland insgesamt sehe.
Für Verwunderung sorgte allerdings, dass nur Cosco an der Ausschreibung teilnahm; angesichts der griechischen Dauerkrise fand sich kein weiterer Investor bereit, in den Hafen zu investieren. Vielen Kritikern scheint denn auch der Preis von rund 370 Millionen Euro zu niedrig. Doch Stergios Pitsiorlas, Chef der griechischen Privatisierungskasse, widersprach: Unabhängige Prüfer hätten den Wert des Hafens niedriger eingeschätzt, außerdem wollten die Chinesen in den nächsten zehn Jahren weitere 350 Millionen Euro investieren. Tatsache ist, dass Cosco mit den Gewinnen aus den zwei Frachtdocks, die es bereits führt, die Verluste der restlichen staatlichen Hafenorganisation finanzierte.
Die Chinesen suchen seit ihrem Beitritt zur Welthandelsorganisation um die Jahrtausendwende nach einem geeigneten europäischen Umschlaghafen für ihre Waren. Was damals die wenigsten erkannten: Piräus ist der erste große europäische Hafen, der sich nach dem Kanal von Suez für die chinesischen Frachtschiffe anbietet.
Goldgrube. Vorbote der griechisch-chinesischen Kooperation war die Vercharterung von fünf in Bau befindlichen großen Frachtern des griechischen Reeders Vasilis Konstantakopoulos an Cosco. Seit 2006 waren dann die griechischen Regierungen mit den Chinesen im Gespräch, 2009 wurde die Vergabe von zwei Docks an Cosco Realität. Seither haben die Chinesen den Frachthafen von Piräus zu einer wahren Goldgrube verwandelt. Vor ihrem Einstieg rangierte er auf Platz 95 der weltweit größten Häfen. Nun liegt er auf Platz 40.
Und: Neben den Arbeitsplätzen im Hafen will Cosco die Reparaturwerften der Hafenzone von Piräus nutzen – das soll wichtige Arbeitsplätze in einem der ärmsten Teile des Landes schaffen. Doch Griechenland erhofft sich noch mehr. Die Chinesen werden mit großer Wahrscheinlichkeit in die griechische Bahninfrastruktur investieren, um Waren über den Landweg nach Osteuropa zu transportieren. Schon bisher konnte die öffentliche Hand Kunden von Cosco für den Transport über die Balkanbahnroute gewinnen. Diese Verträge stehen nun allerdings durch die Blockade der Bahnlinie bei Idomeni an der Grenze zu Mazedonien wegen der gestrandeten Flüchtlinge auf dem Spiel.
Bestandteil der Vergabe ist auch der Passagierhafen von Piräus. Dort sollen längst fällige Infrastrukturarbeiten durchgeführt werden. Cosco soll bereits Vereinbarungen mit großen Kreuzfahrtgesellschaften zur Nutzung von Piräus als Heimathafen getroffen haben, chinesische Touristen dürften das Land als Folge des Deals vermehrt fluten. Letztlich dürften beide Vertragspartner profitieren: China gewinnt das lange gesuchte Einfallstor nach Europa – und Griechenlands Wirtschaft erhält durch die Nebeneffekte des Deals Auftrieb – ganz unabhängig von europäischen Partnern und Gläubigern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2016)