Stahlharter Schlagabtausch mit Chinas Billigproduzenten

Stahl aus China
Stahl aus ChinaPichi Chuang / Reuters
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Stahlimporte aus China zu Dumpingpreisen haben die Stahlindustrie im Westen in eine tiefe Krise gestürzt. Europa und die USA reagieren mit Strafzöllen. Das allein wird nicht reichen.

Ise-Shima/Washington/Peking/Brüssel. Freihandel lautet das Motto, er soll der ins Stocken geratenen Weltwirtschaft neuen Schwung geben und auch als Bollwerk gegen Risken dienen. So viel, so gut zu dem hehren Vorsatz, den die Regierungschefs der sieben größten Industriestaaten (G7) bei ihrem Treffen in Japan am Donnerstag gefasst haben. Wenn es aber um den „Stahlkiller“ China geht, sind Angela Merkel und Co. ganz anderer Meinung: Man müsse sich gegen die Überkapazitäten Chinas auf dem Stahlsektor und die Gefahr von Dumping auf den Weltmärkten wehren, hieß es.

Die Hochöfen rauchen noch – aber weltweit machen die Stahlkocher gegen China mobil. Die Volksrepublik ist der größte Produzent: Von den 1,6 Milliarden Tonnen Stahl, die weltweit 2015 hergestellt worden sind, geht mit 820 Millionen Tonnen mehr als die Hälfte auf das Konto Chinas. Das war kein Problem, solange die Industrie brummte und der Absatz im eigenen Land und rund um den Globus gesichert war. Die Welt hat sich jedoch kräftig gedreht, und zwar nicht in die von den Stahlkochern gewünschte Richtung. Experten sprechen von weltweit 700 Millionen Tonnen überflüssigem Stahl, der auf Lager liegt, davon allein 400 Millionen Tonnen in China. Mit Dumpingpreisen versucht China, seine Überkapazitäten loszuwerden.

Beteuerungen von Peking, man bremse ohnedies und wolle die Produktion bis 2017 um zehn Prozent drücken, werden im Westen äußerst skeptisch gesehen. Denn zuletzt wurden sogar stillgelegte Stahlwerke wieder reanimiert. Der chinesische Stahlverband argumentierte dazu, die Stahlexporte seien wegen der höheren internationalen Nachfrage, der Erholung der Weltwirtschaft und der besseren Wettbewerbsfähigkeit gestiegen. Die Regierung halte die Unternehmen nicht an, einen Großteil ihrer Produktion im Ausland zu verkaufen. Vielmehr wolle sie sogar die Exporte bremsen und habe dazu etwa Ausfuhrzölle für einige Produkte erhöht oder Vergünstigungen gekürzt.

So weit, so schlecht. Der Westen steht jedenfalls mit dem Rücken zur Wand: Nach der EU hat nun auch die US-Regierung Druck gemacht. Rostfreier Stahl aus China wird mit einem Antidumpingaufschlag von 450 Prozent belegt, teilte das US-Handelsministerium mit. Auch die EU verhängte Zölle, und die EU-Kommission hat ein Antidumpingverfahren eingeleitet.

Der Schlagabtausch, der zu einem Handelskrieg zu eskalieren droht, und den die G7 deshalb nun zur Chefsache erklärt haben, dürfte sich aber nicht mit Drohungen und gegenseitigen Zollauflagen lösen lassen. Vor allem in Europa muss die Branche vor ihrer eigenen Haustür kehren. Denn auf dem alten Kontinent haben die Unternehmen selbst über Jahre enorme Überkapazitäten aufgebaut, was die Preise zusätzlich in den Keller rasseln ließ. Wolfgang Eder, Boss der Voestalpine und Präsident des Weltstahlverbandes, zeigt zwar Solidarität mit den Arbeitern an den Hochöfen und Verarbeitungsfließbändern. Er kritisiert aber auch, dass bisher dringend notwendige Konsolidierungen und Werkschließungen ausgeblieben sind.

Britische Regierung will helfen

Unter dem wachsenden Druck, der die Gewinne vieler Unternehmen wie etwa des deutschen Primus ThyssenKrupp zerzaust hat, dürfte das jetzt passieren. Im Mittelpunkt der Spekulationen steht die britische Stahlindustrie. Der Eigentümer, Tata Steel, hat seinen Rückzug angekündigt und die Werke zum Verkauf gestellt. Täglich verbrennen die 14Standorte eine Million Pfund. 12.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Die Investitionen von 1,5 Milliarden Pfund, die Tata seit der Übernahme der Corus-Gruppe vor acht Jahren getätigt hat, drohen zu verpuffen.

Da es zwar sieben Interessenten gibt, aber keiner überzeugen konnte, hat jetzt die britische Regierung zu einer Notmaßnahme gegriffen: Mit einer Gesetzesänderung, die Wirtschaftsminister Sajid Javid am Donnerstag dem Parlament vorgelegt hat, soll der Pensionsfonds von Tata Steel entlastet werden. Der Fonds mit einem Volumen von 15 Milliarden Pfund steht mit 500 Millionen Pfund in den roten Zahlen. Die Übernahme dieser Verpflichtungen gilt als Haupthürde bei der Käufersuche. Premier David Cameron warnte allerdings: „Wir arbeiten hart an einer Lösung, aber es gibt keine Garantien für einen Erfolg.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2016)

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