„Ein Porsche made in Slovakia ist nicht zu verkaufen“

 Volkswagenwerk in Bratislava. Auch Porsche lässt in der Slowakei ein Chassis bauen.
Volkswagenwerk in Bratislava. Auch Porsche lässt in der Slowakei ein Chassis bauen.Jan Koller / CTK / picturedesk.com
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Länder wie Estland, Polen und Tschechien holen in Sachen Wettbewerbsfähigkeit auf. Investoren – und Kunden – zögern aber noch, wieder in den Osten zu gehen.

Wien. Die Zeit der Superlative ist zurück. In keinem anderen Land der Eurozone ist die Arbeitslosigkeit so niedrig wie in Tschechien. Keine andere Region verbesserte sich im Wettbewerbsranking des Schweizer IMD-Instituts stärker als Osteuropa. Der Abstand zum Westen schrumpft. Lettland, die Slowakei und Slowenien stiegen jeweils um sechs Plätze auf, Estland schaffte es aus dem Stand auf Rang 31 – nur knapp hinter Österreich. Ist die Dürrephase damit endgültig vorbei? Kommt Osteuropa wieder zurück auf die Überholspur, aus der es 2009 so jäh geschleudert wurde?

Arnold Schuh, Professor an der WU und Direktor des Competence Center for Central and Eastern Europe, bremst die Euphorie. Auch er hat beobachtet, dass viele Staaten der Region ab 2014 wieder kräftigeres Wirtschaftswachstum verzeichnet haben. Auch er hat die Jubelmeldungen mancher Regierungen gelesen, die vereinzelt Großinvestoren ins Land holen konnten. Doch obwohl einzelne Staaten nun wieder Fuß fassten, habe „die große Rezession in Osteuropa tiefe Spuren hinterlassen“, sagt Schuh zur „Presse“.

Erst 2013 habe die Region im Schnitt erstmals wieder die Wirtschaftsleistung von 2009 erreicht. Etliche Länder seien davon immer noch weit entfernt. So etwa die Ukraine, das einzige Land, in dem es de facto einen „kompletten Rückzug der österreichischen Investoren“, gegeben habe. Aber auch die Staaten in Südosteuropa steckten „immer noch mitten in der Transformation“. Ihr großer Nachteil: Verglichen mit Tschechien, Ungarn oder der Slowakei, seien die Balkanländer einfach zu spät dran gewesen. Unternehmen, die dann bereits ein großes Werk im Osten hatten, brauchten nicht unbedingt noch eines auf dem Balkan.

Regierungen als Unsicherheitsfaktor

Die Staaten, die die Krise besonders rasch hinter sich lassen konnten, haben zwei Dinge gemeinsam: eine relative Nähe zum Westen und eine starke Industrie. Der Anteil der Industrie an der Wirtschaftsleistung liegt etwa in Tschechien dank der Automobilbranche oder in Polen dank der Luftfahrtindustrie jenseits der 25 Prozent. Ein Wert, von dem heutzutage auch viele westliche Staaten wieder träumen. Denn eines hätten die Regierungen in West und Ost verstanden, sagt Schuh: „Eine Produktion verschiebt man nicht so leicht.“ Andere Länder, wie etwa Rumänien, profitieren wiederum vom Sparzwang der globalen Multis, die reihenweise ihre IT-Abteilungen dorthin auslagern.

Die überschwängliche Einschätzung des IMD, das die Regierungen Osteuropas als Ursache für die starke Verbesserung ausfindig gemacht haben will, teilt Schuh jedoch nicht. „Ich denke, viele Regierungen verfolgen nationale Agenden. Für internationale Unternehmen ist es vielerorts schlechter geworden“, sagt er etwa mit Blick auf Ungarn. „Die Regierungen bleiben ein Unsicherheitsfaktor in der Region.“

Ablesen lasse sich das auch an den Statistiken. So sind die Direktinvestitionen aus dem Ausland trotz passabler BIP-Wachstumsraten eher stagniert. „Die Investoren haben sich schon einmal die Finger verbrannt“, sagt er. Noch seien sie nicht bereit, es wieder in Osteuropa zu versuchen. Und auch die Kunden im Westen seien noch zurückhaltend. Die Region leide unter ihrer „Sandwich-Position“. Die Arbeiter seien gut ausgebildet, aber nicht exzellent. Die Löhne moderat, aber nicht die niedrigsten. Am erfolgversprechendsten sei demnach die Strategie, auf gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu setzen: westliche Qualität zu günstigen Preisen, so der Betriebswirt. Hier gelte es aber noch, „mentale Barrieren“ zu überwinden. Obwohl es in vielen Fällen längst nicht mehr der Realität entspreche, würden Waren aus dem ehemaligen Ostblock immer noch mit minderwertiger Qualität assoziiert. Das wirkt sich auch auf Unternehmensstrategien aus. So lässt Porsche das Chassis für seinen Cayenne etwa in der Slowakei bauen. Für die Innenausstattung muss der Wagen jedoch nach Deutschland gebracht werden. „Ein Porsche made in Slovakia ist immer noch nicht zu verkaufen“, sagt Arnold Schuh.

ZUR PERSON

Arnold Schuh ist Direktor des Competence Center for Central and Eastern Europe und Assistenzprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die Internationalisierungsstrategien multinationaler Unternehmen in der Region.

Am Montag, 6. Juni, findet im Festsaal der WU Wien im Rahmen der Veranstaltungsserie „Wirtschaft, Wissenschaft, Unplugged“ eine Diskussion mit Arnold Schuh und der Generaldirektorin der Vienna Insurance Group, Elisabeth Stadler, satt. Thema: „Der frühe Sprung Österreichs in den Osten – 25 Jahre später: Fluch oder Segen?“ Die Veranstaltung erfolgt bei freiem Eintritt in Kooperation von WU Wien, Erste Bank und „Presse“. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2016)

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