Die Versöhnung von Buch und E-Book

(c) Michaela Bruckberger
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Das digitale Buch als Beigabe zum analogen funktioniert aus Steuergründen nicht. Ein Start-up scannt nun Bücher zum Weiterlesen am Handy ein. Konkurrenten sind skeptisch.

Berlin. In der Musikbranche wird die Versöhnung von Analog und Digital schon längst gelebt. Wer sich für eine analoge LP entscheidet, bekommt häufig einen Downloadcode. Mit dem kann das Album zusätzlich zum Vinyl auch noch digital besorgt werden – ohne zusätzliche Kosten.

Anders sieht es auf dem Buchmarkt aus. Weil bei einem Bundle von Buch und E-Book der höhere Mehrwertsteuersatz für digitale Produkte fällig wäre, funktioniert diese Kombination nicht. Oder besser gesagt noch nicht, wenn es nach den Betreibern von Papego geht. Das Start-up bietet eine App, mit der Leser ihre analogen Bücher auch elektronisch lesen können.

Nicht für den Urlaub

„Wer unterwegs weiterlesen, aber das Buch nicht mitnehmen will, kann mit dem Handy einfach die Stelle scannen, an der er im Buch gerade ist“, sagt Jan-Philip Loos, einer der Entwickler der App. Auf dem Weg in die Arbeit kann man so bequem weiterlesen – das analoge Exemplar bleibt zu Hause im Regal. Mit dem Piper-Verlag hat man bereits einen Vertrag – seit März erscheinen sukzessive papegofähige Bücher. Der Kunde muss dafür nicht extra zahlen, hat aber eine zusätzliche Option, das Buch zu lesen. Angezeigt werden von der gescannten Stelle an allerdings nur 25 Prozent der Buches – damit potenzielle Leser nicht in der Buchhandlung eine Seite einscannen und dann das komplette Buch elektronisch haben.

Um mehrere E-Books in den Urlaub mitzunehmen, eignet sich die App also nicht. Aber für kürzere Wege kann sie nützlich sein. Das Start-up selbst kassiert vom Verlag eine fixe Gebühr, dafür wird das Buch für die App aufbereitet. Der Buchverlag kann den Zusatznutzen vermarkten. So die Idee dahinter.

Fortschritt oder Hindernis?

Skeptisch sieht Sarah Mirschinka eine solche Kombination. Sie ist Leiterin des digitalen Vertriebs bei Bastei Lübbe. Bei ihrem Verlag versucht man, bewusst die digitale Variante zu vermarkten. „Wir sehen kombinierte Produkte eher als Hindernis für digitale an, weil damit das Produkt E-Book schwieriger zu vermitteln ist.“ Vor sechs Jahren wurde deshalb Bastei Entertainment gegründet – in der Branche gilt man als einer der Pioniere. Insgesamt kümmern sich zehn Mitarbeiter ausschließlich um die digitalen Produkte. Damit könne man im Gegensatz zu einem klassischen Verlag schneller, treffsicherer und flexibler agieren – auch im Marketing. „Digital tickt etwas anders, es funktioniert nach den Regeln des E-Commerce, nicht mehr mit dem Buchhändler als Gatekeeper.“

Wichtig ist es daher, auf Internetplattformen die Bücher gut zu positionieren. Die entscheidenden Faktoren dabei sind die Sichtbarkeit und der Preis. Die wichtigste Zielgruppe dabei sind die Vielleser: „Das sind die Ersten, die auf digital umgestiegen sind“, sagt Mirschinka. Wobei es weniger die Millennials seien, die intuitiv an die Technik herangehen, „sondern die bürgerliche Mitte zwischen 45 und 60 Jahren“. Die Erfahrung zeigt, dass vor allem Belletristik gut funktioniert – die Masse der E-Books verkauft Bastei im Preisbereich zwischen 7,49 und 12,49 Euro. Auch funktionieren die Bereiche historische Unterhaltung, Spannung, das Segment populäre Frauenunterhaltung – und Erotik. „Die war aber auch schon bei Print in Kombination mit Onlinebestellung gut.“

Backlist

Digital publiziert wird alles, was auch im Printbereich neu erscheint – bei einem neuen Buch von Dan Brown werden dann auch schon an die 20 Prozent digital verkauft. Einen großen Anteil hat auch der Backlist, also Bücher, deren Publikation schon länger zurückliegt und die gedruckt teilweise gar nicht mehr lieferbar sind. Aber es gibt auch Formate, die exklusiv digital gemacht werden, etwa die „Cherringham“-Krimiserie, die als digitale Romanserie zum geringen Preis großen Erfolg hatte. „Nach 27 Folgen digital beenden wir die Serie und führen in den Roman über“, sagt Mirschinka. Dafür lässt sich ein höherer Preis verlangen – und der Stoff bei Bedarf dann sogar in die Print-Welt überführen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2016)

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