EZB intensiviert ihre Einkaufstour

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Germany Frankfurt Euro sign opposite of European Central Bank Headquarters PUBLICATIONxINxGERxSUIx(c) imago/Westend61 (imago stock&people)
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Seit Mittwoch kauft die Europäische Zentralbank auch Firmenanleihen, um die Wirtschaft zu beflügeln und die Inflation anzuheizen. Viele Experten sind skeptisch.

Frankfurt. Europas Währungshütern ist im Kampf gegen die Mini-Inflation und Konjunkturschwäche jedes Mittel recht: Seit Mittwoch stehen auch Wertpapiere von Unternehmen auf dem Einkaufszettel der Europäischen Zentralbank (EZB). Bisher hat die EZB über den Kauf von Staatsanleihen Abermilliarden in den Finanzmarkt gepumpt. Aber bisher hatte EZB-Chef Mario Draghi keine glückliche Hand im Kampf gegen die schwache Inflation. Die Verbraucherpreise fielen im Mai um 0,1 Prozent. Das Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent liegt in weiter Ferne.

Jetzt greift Draghi erneut in die Trickkiste: Die EZB kauft auch Anleihen von Unternehmen, das heißt, sie wird zum Gläubiger kleiner und großer Firmen. Unter Experten ist diese Maßnahme umstritten. Nicht wenige stellen die Wirksamkeit infrage, andere warnen vor massiven Marktverwerfungen und einige halten den Kauf von Firmenanleihen durch die Notenbank für schlicht rechtswidrig.

Unter dem Titel „Corporate Sector Purchase Programme“ (CSPP) dürfen Anleihen von Unternehmen mit guter Bonität und Sitz in der Eurozone bis zum Volumen von 70 Prozent aller ausgegebenen Papiere einer Emission gekauft werden. Ausgenommen sind Anleihen von Banken und Staatsfirmen. Das bis März 2017 laufende Kaufprogramm der EZB ist auf insgesamt 1,74 Billionen Euro ausgelegt.

„Die Regeln erlauben, eine große Vielfalt von Unternehmensanleihen zu kaufen“, erklärt Philip Gisdakis von der UniCredit. Es reicht eine einzige gute Kreditbewertung im Bereich Investmentgrade durch eine führende Ratingagentur. Selbst wenn die übrigen Agenturen das Papier als Ramsch einschätzen, darf es auf dem Kaufzettel stehen. Nach einer Aufstellung von Bloomberg kommen bis zu 1049 Unternehmensanleihen im Volumen von 620 Mrd. Euro infrage. In Österreich kann die EZB nach Angaben von Nationalbankchef Ewald Nowotny Bonds von 18 Unternehmen kaufen, darunter OMV und Strabag.

Marktverwerfung befürchtet

Die EZB lässt sich nicht in die Karten schauen. Gisdakis erwartet ein begrenztes Programm von zwei bis drei Mrd. Euro pro Monat. Dieser Schätzung schließt sich David Kohl, Deutschland-Chefvolkswirt der Schweizer Bank Julius Bär, an. Am Mittwoch wurden Titel von Generali und Telefonica erworben.

Sollte die EZB zu stark aufs Gas treten, könnte der Markt schnell austrocknen, meint Kohl. Privatanleger könnten das Nachsehen haben. Sie müssten möglicherweise auf Papiere mit zweifelhafter Bonität ausweichen. „Damit wird der nächste Markt kaputt gemacht“, kritisiert Kohl. Für Anleger ist es wegen der extrem niedrigen Zinsen ohnedies schwierig, Anlagen mit akzeptabler Rendite bei überschaubarem Risiko zu finden.

Bereits die Ankündigung des Programms hat einen Rückgang der Renditen bewirkt. Die Zinsaufschläge, die bei Firmenanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen verlangt werden, brachen ein, ohne dass sich die Risikoeinschätzung für das betreffende Unternehmen geändert hatte. Besonders deutlich war dies in der Automobilbranche.

Grundsätzlich will die EZB auch Papiere von kleineren Firmen aus der Peripherie des Währungsraums kaufen. „Das Problem: Diese Firmen haben oft kein Investmentgrade-Rating“, sagt Gisdakis.

Kritisiert wird auch, dass die EZB offenlässt, was passiert, wenn eine Firma, deren Schuldpapiere die EZB gekauft hat, in finanzielle Schieflage gerät oder von Ratingagenturen herabgestuft wird. Eine Gruppe deutscher Professoren und Unternehmer hat Mitte Mai beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingereicht. Der Vorwurf: Die EZB überschreite ihr Mandat. (DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)

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