Island: Die Insel, die kaum Arbeitslose hat

The Iceland flag flies next to the headquarters of Kaupthing Bank in Reykjavik
The Iceland flag flies next to the headquarters of Kaupthing Bank in Reykjavik(c) REUTERS (BOB STRONG)
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Island hatte schon immer viele Beschäftigte und wenige Arbeitslose. Die Finanzkrise hat das verändert. Aber nur kurz. Mit vier Prozent hat das Land heute wieder die niedrigste Arbeitslosigkeit Europas – Tendenz sinkend.

Wien. Das Schlagwort lautete Kaupthing. Der Name der isländischen Pleitebank war zum Sinnbild für den Niedergang des Inselstaates geworden. Die Bank war 2008 infolge der internationalen Bankenkrise kollabiert und hatte Island in die Depression gestürzt. 2009 kehrte sogar McDonald's Island den Rücken. Der Verfall der Isländischen Krone und die hohen Schutzzölle hatten die Importe von Fleisch, Salat, Zwiebeln und Käse so teuer gemacht, dass sich das Geschäft nicht mehr auszahlte.

Die Fast-Food-Kette ist zwar nicht zurückgekehrt. Aber Island steht heute wieder erstaunlich gut da. Die Wirtschaft wuchs 2015 das fünfte Jahr in Folge. Und Island hat mit vier Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit Europas. Tendenz sinkend. Für die Isländer ist das eigentlich nichts Neues. Schon vor der Krise waren sie in puncto Arbeitslosigkeit Europameister. Im Jahr 2000 betrug die Arbeitslosenquote 2,3 Prozent, da verzeichnete Österreich 3,9 Prozent und die Eurozone 8,9 Prozent Arbeitslosigkeit.

„Island hat traditionell eine hohe Beschäftigungsquote, dieses Ziel wurde auch politisch immer verfolgt“, sagt Cosima Steiner, Österreichs Wirtschaftsdelegierte in Kopenhagen, die auch Island betreut. Eine eigene Außenhandelsstelle in Island einzurichten wäre gewiss übertrieben. Die Atlantikinsel hat nur 330.000 Einwohner. Die seien aber relativ mobil und flexibel, auch ein Grund für die niedrige Arbeitslosigkeit, sagt Steiner. Das zeigte sich auch in der Krise, als viele ihr Land verließen.

Tourismusboom sorgt für Jobs

Traditionell war in Island die Fischerei der wichtigste Wirtschaftssektor, sie sorgte lange Zeit für die meisten Jobs. Seit der Krise ist das anders. Der Fischereisektor geht zurück, dafür boomt der Tourismus: Voriges Jahr besuchten 1,26 Millionen Touristen das Land, das war das dritte Rekordjahr in Folge. Heuer sollen 1,34 Millionen Touristen nach Island kommen. Auch das war politisches Ziel. Mit einer groß angelegten Werbekampagne positionierte sich Island als ganzjähriges Reiseziel. Und hatte Erfolg.

Davon profitieren nicht nur die Hoteliers und Gastronomen, sondern auch der Handel, die zahlreichen Spas, die Fährunternehmen und schließlich auch all jene Private, die im Nebenjob Zimmer vermieten. Der Tourismus ist der neue Jobmotor. 2010 erreichte die Arbeitslosigkeit mit 7,6 Prozent ihren Höhepunkt. Seither sinkt sie.

Das liegt auch an der gesamtwirtschaftlichen Lage. Die Geschwindigkeit, mit der sich Island vom Zusammenbruch erholte, brachte dem Land internationale Bewunderung ein. 2010 befand sich Island noch in einer Rezession, die Wirtschaft schrumpfte um 3,6 Prozent. Heuer soll das Wachstum 3,7 Prozent betragen.

Das Rezept, mit dem Island aus der Krise fand, war für viele Beteiligten nicht angenehm, aber es wirkte: Die drei großen Banken wurden in den Bankrott geschickt, ausländische Investoren gingen leer aus. Entschädigt wurden nur inländische Kunden, und auch sie nur bis zur Einlagensicherung von umgerechnet knapp über 20.000 Euro. Um die sozialen Folgen für die Bevölkerung abzufedern wurde ein Sozialpakt geschnürt. Island war das erste Krisenland Europas, das sich wieder erholt hatte.

Kein Interesse mehr an der EU

Ein Klotz am Bein sind für den aufstrebenden Inselstaat die in der Krise eingeführten Kapitalverkehrskontrollen. Sie sollten die Isländischen Kronen im Land halten und einen Kollaps der Währung verhindern, die rund 70 Prozent ihres Wertes verloren hatte. Die Regierung will sie bis zum Herbst abschaffen. Da gibt es Neuwahlen. Regierungschef Sigmundur Davío Gunnlaugsson ist zurückgetreten, nachdem er im Zuge der Panama-Papers in die Kritik geraten ist.

EU-Mitglied wird der Musterschüler so schnell übrigens nicht werden. Am 12. März 2015 zog das Land seinen Antrag auf Mitgliedschaft offiziell zurück. Mit der Krise war auch das Interesse an der EU wieder verschwunden.

AUF EINEN BLICK

Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2000 betrug die Arbeitslosenquote in Island 2,3 Prozent, 2005 waren es 2,6 Prozent. Dann kam die Bankenkrise und riss die Wirtschaft der Nordatlantikinsel in den Abgrund. Doch das Land erholte sich erstaunlich schnell. Traditionell war in Island die Fischerei der wichtigste Wirtschaftssektor, seit der Wirtschaftskrise sorgt vor allem der Boom des Tourismus für neue Jobs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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