Jaguar als hübscher Schwan

Mit dem F-Pace in eine glänzende Zukunft: Das SUV soll die Verkaufszahlen von Jaguar mittelfristig verdoppeln.
Mit dem F-Pace in eine glänzende Zukunft: Das SUV soll die Verkaufszahlen von Jaguar mittelfristig verdoppeln.Die Presse/Clemens Fabry
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2008 sah kaum jemand eine Zukunft für Jaguar und Land Rover. Mittlerweile haben sich die Verkaufszahlen mehr als verdoppelt. Die Geschichte eines erfolgreichen Turnarounds.

Fein verarbeitetes Leder, ein geräumiger Innenraum, ein Display, das die Anzeige von Geschwindigkeits- und Drehzahlmesser der gewählten Fahrweise anpasst, ein 10,2 Zoll großes Touchpad zur Steuerung von Navi und Medien – alles hier wird einem Jaguar gerecht. Nur thront man auch noch wie Königin Elisabeth hoch über dem Verkehr.

Der F-Pace, dessen Verkauf gerade anläuft, ist das erste SUV aus dem Haus der britischen Nobelmarke, und auch wenn er in der 180-PS-Dieselversion (es gibt noch einen 300-PS-Diesel und einen 340-PS- bzw. 380-PS-Benziner) nicht unbedingt dem sportlichen Image von Jaguar entspricht, so viel ist klar: Das Auto wird ein Hit werden.

Wieder einmal. Wie auch zuvor bereits der F-Type, der Sportwagen, mit dem Jaguar dem Porsche 911 Konkurrenz macht. Oder auch die gerade eben völlig überarbeitete Limousine XF und der kleinere Jaguar XE, mit dem man den Kampf gegen die 3er-Serie von BMW und den Audi A4 aufnimmt. Alles geglückte Autos.

Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil der Autobauer noch vor ein paar Jahren mit unglücklichen Modellen vor sich hin dümpelte. Ebenso wie Land Rover, dessen Autos zwar geliebt wurden, die aber nicht gerade der Maßstab für Zuverlässigkeit waren.


Ford und BMW scheiterten. Doch seit Jaguar und Land Rover gemeinsam unter dem Dach des indischen Autoherstellers Tata Motors arbeiten, erlebt der Konzern einen geradezu verstörenden Höhenflug: Seit 2009 legen die Verkaufszahlen jedes Jahr um zehn Prozent und mehr zu, im vergangenen Geschäftsjahr (2014/2015 endete am 31. März) verkaufte man erstmals in der Geschichte mehr als 500.000 Fahrzeuge. Die Zahlen lagen um 13 Prozent über dem Vorjahr (der Umsatz betrug 32,5 Milliarden Dollar, der Vorsteuergewinn 2,2 Mrd. Dollar). In den vergangenen sechs Jahren hat Jaguar Land Rover (JLR) seinen Absatz mehr als verdoppelt.

Es ist die erfolgreiche Rückkehr von zwei Firmen, für die viele Experten noch vor zehn Jahren keine Zukunft sahen. Sogar zwei große Autohersteller waren an der Sanierung von Jaguar und Land Rover gescheitert. Ford hatte 1989 Jaguar gekauft und versucht, mit dem X-Type und dem S-Type zu reüssieren. Doch die Autos kamen bei den Kunden nicht an, ein Experte beschreibt das Aussehen des X-Type als „ein zu heiß gewaschener klassischer Jaguar“. 2008 verkauften die Amerikaner die Marke an Tata.

Ähnlich war es bei Land Rover und seiner Muttermarke Rover. BMW hatte 1994 Austin Rover übernommen, investierte vier Milliarden Euro, aber es war dennoch keine profitable Entwicklung absehbar. Das Desaster auf der Insel kostete den damaligen Vorstandschef von BMW, Bernd Pischetsrieder, im Jahr 2000 den Posten. Die Geländewagenmarke Land Rover verkaufte man an den Ford-Konzern, der sie 2008 im Paket mit Jaguar um insgesamt recht bescheidene 2,3 Milliarden Dollar an Tata verkaufte (Ford hatte 1989 allein für Jaguar 2,5 Milliarden Dollar bezahlt).

„Tata hat die Marken gekauft, um sie zu besitzen – nicht, um sie zu führen“, sagte Peter Modelhart, Deutschland- und Österreich-Chef von JLR in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“. Tatsächlich beruhigte der damalige Firmenchef, Ratan Tata, die Banken, die kurz nach der Übernahme wegen der Weltwirtschaftskrise und der negativen Aussichten für Luxusfahrzeuge nervös geworden waren, sogar mit einem Privatkredit in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar.

Statt viel Geld aus der Firma zu nehmen – im Rekordgeschäftsjahr 2013/2014 mit einem Ergebnis von 3,4 Milliarden Pfund begnügte sich Tata mit einer Dividende von 150 Millionen Pfund –, investierte man fast 16 Milliarden Dollar in neue Produkte und Fabriken. Den Ingenieuren und Designern ließ man freie Hand.

Heraus kam unter anderem der Range Rover Evoque, ein kleines Cross-over. Mit ihm landete JLR einen Hit. Mittlerweile verkauft man fast 120.000 Evoque pro Jahr – mehr kann man nicht herstellen. Eine neue Fabrik in China wird die Kapazität bald um weitere 50.000 Stück erhöhen.

Die Topmarke Range Rover kam als großes SUV 2012 völlig überarbeitet auf den Markt. Designer Gerry McGovern schaffte es, ein modernes Geländeauto mit schönen, weichen Formen zu entwerfen, das dennoch die klare Linie und das klassische Aussehen der Marke beibehielt. Ein Jahr später reichte man den neuen Range Rover Sport nach, der beispielsweise als Supercharged mit 550 PS mehrere Rekorde brach. Der hohe Preis dieser SUV – der Range Rover fängt bei 111.000 Euro an – garantiert Margen, wie sie sonst nur noch Porsche kennt.

Während die Verkaufszahlen bei Land Rover geradezu explodierten – von 144.000 im Jahr 2009 auf fast 430.000 im vergangenen Jahr – , legte Jaguar ab 2012 vor allem dank China zu, kam aber nie an die Steigerungsraten von Land Rover heran. Das soll sich mit dem F-Pace ändern. Das SUV soll die Verkaufszahlen mittelfristig verdoppeln, bald soll jeder zweite verkaufte Jaguar ein F-Pace sein.

Bis 2020 rechnet das deutsche Center Automotive Research (CAR) mit 900.000 verkauften Jaguar- und Land-Rover-Modellen, der Konzern wäre damit nach Audi, BMW und Mercedes die Nummer vier bei den Premiumherstellern. „Aus dem unansehnlichen Entlein Jaguar Land Rover“, schrieb der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer in der Studie, „ist ein hübscher Schwan geworden.“

Zahlen

10Modelle bieten Jaguar und Land Rover aktuell an. Vor allem der Range Rover Evoque ist ein Verkaufshit.

7000Ingenieure und Designer arbeiten für den Konzern. Etwa 28.000 der mehr als 30.000 Angestellten arbeiten in England.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2016)

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