Frankfurt rüstet sich für Invasion Londoner Banker

The European Central Bank's Headquarters Illuminated During Luminale Light Festival
The European Central Bank's Headquarters Illuminated During Luminale Light FestivalBloomberg
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Die deutsche Finanzmetropole könnte vom Brexit profitieren. Die Standort-Lobby erwartet 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze.

Die deutsche Finanzmetropole Frankfurt könnte zum Krisengewinner des britischen Austritts aus der EU werden. Zwar äußerten nahezu alle führenden Banker und Branchenvertreter am Freitag Bedauern über den Ausgang des Referendums. Zugleich rüsten sie sich aber für die tektonischen Verschiebungen in der europäischen Banken-Landschaft.

"Die Konsequenzen lassen sich noch nicht vollständig absehen. Sie werden aber für alle Seiten negativ sein", sagte der Vorstandschef der Deutschen Bank, John Cryan. Der Brite fügte hinzu: "Sicherlich sind wir als Bank mit Sitz in Deutschland und einem starken Geschäft in Großbritannien gut darauf vorbereitet, die Folgen des Austritts zu mildern."

EU-Regulierung könnte übersiedeln

Der Finanzhauptstadt London droht ein Bedeutungsverlust. Sie profitiert stark von der engen Anbindung an die Märkte im Euro-Raum. Die Erlaubnis, Finanzprodukte in allen EU-Ländern zu vertreiben, dürfte aber nach einem Austritt wegfallen. Teile von Banken, die etwa mit der Entwicklung von Produkten oder mit der Abwicklung von Derivaten zu tun hätten, könnten nach Frankfurt ziehen. Die Standort-Lobby "Frankfurt Main Finance" erwartet in fünf Jahren 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze in der Metropole.

Auch für die in London ansässige, aber abwanderungswillige EU-Regulierungsbehörde EBA wäre Frankfurt "der natürliche und logische Standort", sagte Frankfurt-Main-Finance-Geschäftsführer Hubertus Väth. Für den Finanzplatz, zehnmal kleiner als London, bedeute das einen Schub von 15 bis 20 Prozent. Im Großraum Frankfurt arbeiten 62.000 Menschen in der Bankenbranche.

Morgan Stanley plant 1000 Mitarbeiter zu versetzen

Die Deutsche Bank überlegt Finanzkreisen zufolge, Bereiche wie den Devisenhandel von London nach Frankfurt zu verlagern. Sie beschäftigt in London über 8000 Mitarbeiter, vor allem im Investmentbanking. Cryan hat vor dem Referendum angekündigt, die Bank werde nach einem Brexit den Handel mit Euro-Staatsanleihen aus London abziehen. Dagegen erwartet der Vize-Chef der HypoVereinsbank-Mutter UniCredit, Gianni Franco Papa, dass sich London als Finanzmetropole behauptet.

Internationale Großbanken gaben sich gelassen. "Goldman Sachs hat sich in seiner Geschichte immer wieder an den Wandel angepasst", sagte der Chef der US-Investmentbank, Lloyd Blankfein. Sein Kollege Jes Staley von der britischen Bank Barclays verwies darauf, dass sein Haus sich schon vor dem Referendum als "transatlantische Bank" mit Verankerung in Großbritannien und den USA aufgestellt habe - "unabhängig davon, ob das Vereinigte Königreich in der EU bleiben würde". Die US-Investmentbank Morgan Stanley hat einem Insider zufolge Pläne, 1.000 ihrer 6.000 Beschäftigten in London nach Dublin oder Frankfurt zu versetzen.

FinTech-Startups recht mobil

Als erstes dürften die jungen FinTech-Startups in London den Stecker ziehen, glaubt der Chef der Internet-Bank Fidor, Matthias Kröner. "Denn die Pflanzen mit den kleinsten Wurzeln können am schnellsten reagieren und werden als erste gehen. Die Großbanken, die fest in London verwurzelt sind, werden sich schwerer tun, ihr Geschäft in Wachstumsmärkte zu verlagern", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

Auch der Verband der Auslandsbanken in Deutschland erwartet Veränderungen: Zahlreiche Mitglieder seien strukturell eng mit London verwoben. Rund 30 von ihnen operierten aus Großbritannien mit einem "europäischen Pass", der ihnen bisher den Vertrieb von Finanzprodukten in ganz Europa erlaubt. Diese Strukturen müssten nun geändert werden, ohne dass es zu weiteren Reibungsverlusten komme, sagte Verbands-Präsident Stefan Winter von der UBS.

Steigende Immobilienpreise erwartet

Der mögliche Ansturm Londoner Banker dürfte den Frankfurter Immobilienmarkt beflügeln. "Trotz aller negativen Begleiterscheinungen kann insbesondere Frankfurt mittelfristig mit neuen Impulsen rechnen", sagte Ulrich Höller, Vorstandschef des Immobilien-Investors GEG. Das kann aber noch dauern. "Viele Banken sind in Frankfurt schon vertreten und haben noch jede Menge Büroflächen frei", sagte Helge Scheunemann vom Immobilien-Dienstleister Jones Lang LaSalle. Lobbyist Väth sagte, der Frankfurter Immobilienmarkt könnte den Zuwachs gut verkraften. 120.000 Quadratmeter Bürofläche stünden leer, weitere 280.000 seien in der Entwicklung.

(APA/Reuters)

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