Ein schwarzer Freitag an den Märkten

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CORRECTION-FRANCE-STOCKS-MARKET-BREXIT(c) APA/AFP/THOMAS SAMSON
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Überall fielen die Kurse am Freitag in den Keller. Nur Gold konnte profitieren.

Wien/London. Angekündigte Katastrophen finden nicht statt. Normalerweise. Griechenland ist noch immer im Euro. Und China hat die Welt nicht in eine Depression gerissen. Aber der Brexit hat die Märkte am Freitag wirklich kalt erwischt. Nach den Umfragen der vergangenen Woche war die Angst vor einem Austritts-Votum am Donnerstag verpufft. Es folgte, wovor der Währungsspekulant George Soros gewarnt hatte: ein schwarzer Freitag an den Börsen.

Am schlimmsten hat es die Banken erwischt. Was in diesem Sektor geschehen wird, ist nach dem Brexit-Votum völlig unklar. In der City of London arbeiten rund 700.000 Menschen im Finanzsektor. Ein Teil dieser Jobs wird wohl abwandern – etwa nach Dublin oder Frankfurt. Die Unsicherheit machte sich am Freitag auch in den Aktienkursen bemerkbar.

Die Verlierer des Tages waren Lloyds (minus 20,61 Prozent), Barclays (minus 18,74) und Royal Bank of Scotland (minus 17,88 Prozent.) Der globale Aktien-Abverkauf setzte schon in Asien ein, der japanische Nikkei stürzte um fast acht Prozent ab. Der deutsche Dax fiel um 6,07 Prozent, der EuroStoxx50 um 8,5 Prozent. Der Wiener ATX gab um 6,8 Prozent nach, die Finanzwerte fielen dort um mehr als sieben Prozent.

Pfund stieg in der Nacht noch

Der Euro fiel gegenüber dem Dollar um bis zu fünf Cent auf ein Dreieinhalb-Monats-Tief von 1,091 Dollar. Den Londoner Aktienindex FTSE erwischte es gar nicht so schlimm: minus 2,5 Prozent. Besonders hart traf es aber verständlicher Weise das britische Pfund. Die Währung hatte in der Nacht auf Freitag sogar noch ein Jahreshoch von 1,50 Dollar verzeichnet, weil Anleger den Umfragen geglaubt haben und auf ein Nein der Briten zum Brexit gesetzt haben. Vergeblich. Im Laufe des Freitags fiel das Pfund auf bis zu 1,32 Dollar und damit auf das Niveau von 1985.

Es war die größte Talfahrt aller Zeiten für das Pfund – sogar schlimmer als am schwarzen Mittwoch 1992, als der bereits erwähnte George Soros die Bank of England mit Milliarden-Wetten in die Knie gezwungen hatte. Diese Turbulenzen konnten nicht verhindert werden, obwohl alle großen Zentralbanken aktiv in den Markt eingriffen. Die britische Zentralbank stellte sofort 250 Mrd. Pfund zur Verfügung (rund 306 Mrd. Euro). Die großen Ratingagenturen reagierten negativ. Der Insel droht nun ein Downgrade.

Welche politischen Konsequenzen der Brexit für die Europäische Union nach sich ziehen könnte, spiegelten auch die Börsen anderswo in Europa wider. Besonders nervös zeigten sich die Anleger in südeuropäischen Ländern, wo Euro und EU schon mal beliebter waren. Die Börsen in Mailand und Madrid verzeichneten mit einem Minus von jeweils mehr als zehn Prozent die größten Tagesverluste ihrer Geschichte.

Das größte Problem wird für Anleger wie Unternehmer jetzt die um sich greifende Unsicherheit bleiben. Denn noch ist unklar, wie der Brexit überhaupt ablaufen soll. „Das Schlimmste, was für die Märkte jetzt passieren kann, ist eine Fortsetzung der Idee, dass es zur EU-Mitgliedschaft keine Alternativen gibt. Europa braucht jetzt einen Plan B für den Umgang mit Großbritannien“, sagte Mohamed El-Erian, der Chefökonom der Allianz: „Märkte reagieren nicht gut auf ein Vakuum.“ Wenn nicht bald Klarheit über die weitere Vorgangsweise bestehe, würden globale Konsequenzen drohen.

Mehrere Statements von Zentralbanken und Währungsfonds konnten die Lage an den Märkten auch nicht beruhigen, bevor die US-Börsen am Freitag in den Handel eingestiegen sind. Nasdaq und Dow Jones stürzten sofort ab – setzten dann aber zu einer leichten Erholung an. Einer der Gründe dafür war die nun um sich greifende Annahme, dass die US-Notenbank Federal Reserve die Zinsen erst recht nicht wird anheben können und die Ära des billigen Geldes weiter andauern wird.

Diese Annahme wurde zudem durch einen Artikel des Journalisten Jon Hilsenrath vom „Wall Street Journal“ bestätigt. Hilsenrath gilt als in Sachen Fed gewöhnlich sehr gut informiert: „Die Marktturbulenzen und der stärkere US-Dollar nach der Brexit-Entscheidung lassen zunehmend darauf schließen, dass die Fed ihre Pläne zur Anhebung der Zinsen verschieben wird“, schrieb Hilsenrath.

Gold als einziger Gewinner

Die Aussichten auf mehr billiges Geld ließen auch den einzigen echten Gewinner des Tages nochmal nach oben gehen: Gold. Das Edelmetall legte am Freitag um sechs Prozent zu und stieg über 1300 Dollar. In Euro kratze Gold kurz sogar an der Marke von 1250 und kletterte auf den höchsten Stand seit mehr als drei Jahren.

Das Metall war auch in England sehr gefragt, britische Goldhändler sprachen von einem Ansturm auf Barren und Münzen. Gegenüber dem Euro stieg auch der Schweizer Franken, der neben Gold als einziger „sicherer Hafen“ gilt, stark an. Auch hier konnte die aktiv eingreifende Schweizerische Notenbank die Aufwertung der Währung nur bremsen – nicht verhindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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