VW: Ein Schummelmotor, der Rätsel aufgibt

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Autos mit sogenanntem Schummelmotor müssen nachgerüstet werden. Der ÖAMTC untersuchte diese Modelle vor und nach dem Software-Update. Fazit: Es gibt kaum Unterschiede bei Leistung, Verbrauch und Emissionen.

Wien. Mit welchen Nachteilen müssen Personen rechnen, deren Pkw im Zuge der Aufarbeitung des VW-Abgasskandals in die Werkstatt zurückgerufen werden, und dort eine neue – und angeblich ehrliche – Motorsteuerungssoftware bekommen? Und verändern sich dadurch auch die fraglichen Abgaswerte, insbesondere jene von Stickstoffoxiden (NOx)?

Der ÖAMTC und die Technische Universität Wien haben – gemeinsam mit deutschen (ADAC) und schweizerischen (TCS) Interessenvertretern Messungen bei betroffenen Fahrzeugen durchgeführt, bevor und nachdem die Aktualisierung der inzwischen berühmt gewordenen Schummelsoftware in der Werkstatt durchgeführt wurde. Das aus Sicht der Konsumenten vielleicht überraschende Ergebnis lautet: Leistung und Verbrauch bleiben gleich. Doch auch Experten staunen, weil sich selbst die Abgaswerte praktisch nicht veränderten.

Betroffen vom Abgasskandal ist der Dieselmoter EA 189 in den Größen mit 1,2, 1,6 und 2 Litern Hubraum. Hierzulande laufen momentan Rückrufaktionen für zwölf Modelle der Marken VW, Audi und Seat, alle sind mit der Zwei-Liter-Maschine ausgestattet. Wann VW Lösungen für die kleineren Motoren anbietet, ist noch nicht klar. Der ÖAMTC und die TU haben die Vorher-nachher-Tests an zwei Audi A4, sowohl auf einem Rollenprüfstand als auch mit einem mobilen Abgaslabor im Echtbetrieb auf der Straße durchgeführt. Der deutsche ADAC untersuchte einen VW Golf, der schweizerische TCS ebenfalls einen Audi A4.

ÖAMTC rät von Klagen ab

Bisher ist darüber spekuliert worden, ob die Schummelsoftware, die den Prüfzyklus namens NEFZ (Neuer europäischer Fahrzyklus) auf dem Prüfstand selbstständig erkennt, bei Abgastests die Schadstoffemission zulasten von Leistung und Verbrauch senkt. Die aktuellen Messungen zeigten jedoch, dass die neue Motorsoftware (im Rahmen einer zulässigen Messtoleranz) zu keinen Leistungseinbußen führt. Das Gleiche gilt für den Treibstoffverbrauch. Weil die kostenlose Aktualisierung der Motorsoftware den Eigentümern offenbar keine Nachteile bringt, wird die Geltendmachung finanzieller Ansprüche gegenüber VW nun schwierig werden. So beurteilt das zumindest der ÖAMTC. „Forderungen wegen behaupteten Wertverlusts, Schadenersatz oder auch Rückabwicklung von Kaufverträgen haben auf Basis dieser Messergebnisse wenig Aussicht auf Erfolg“, glaubt Bernhard Wiesinger, Leiter der Interessenvertretung des ÖAMTC, hinter dem immerhin etwas mehr als zwei Millionen zahlende Mitglieder stehen.

Bemerkenswert ist jedoch, dass besagter Motor mit installierter Schummelsoftware offenbar keinen relevanten Abgasvorteil beim NOx brachte. Die überprüften Fahrzeuge stießen nach dem Werkstattbesuch zwischen 0,7 und 8,9 Prozent mehr Stickstoffoxide aus. Das liegt im Bereich der Messtoleranz und wird daher als gleiches Ergebnis angesehen. Und: Mit 120 bis 140 Milligramm NOx-Ausstoß pro Kilometer liegt der Motor mit beiden Softwareversionen weit unter jenen 180 Milligramm, die zur Zeit seiner Typisierung in Europa als Grenzwert galten.

Software ohne Nutzen?

Über die Motive von VW, eine Software zur Abgasmanipulation einzusetzen, deren (illegaler) Nutzen praktisch nicht messbar ist, spekulieren nun Techniker und Wissenschaftler. VW-Chef Matthias Müller hat einmal festgehalten, dass das Manipulationsprogramm nicht in allen in Europa verkauften Fahrzeugen aktiviert gewesen sein soll. Stimmt das, könnte das ein Grund für die Messergebnisse von ÖAMTC und TU Wien sein.

Weiters sind diese ein Indiz für die bisher kolportierte Wirkungsweise des Programms. Es soll auf dem Prüfstand nämlich mehr Harnstoff in den Abgasstrom eingespritzt, und so den NOx-Gehalt gesenkt haben. Weil in den USA die Hersteller den Harnstofftank für die Abgasreinigungsanlage auf eigene Kosten befüllen müssen, konnte man so wegen der Vielzahl an verkauften Fahrzeugen im Echtbetrieb einiges an Geld sparen. In Europa profitierte der Konzern davon jedoch nicht, weil der Motor auch ohne Abgasreinigungsanlage den viel höheren Grenzwert unterschritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

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