Japan will Geldpolitik weiter lockern

Viele Japaner sind mit der Politik von Premierminister Abe unzufrieden.
Viele Japaner sind mit der Politik von Premierminister Abe unzufrieden. (c) REUTERS (TORU HANAI)
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Mit dem Brexit schießt der japanische Yen wieder in die Höhe. Das ist ein Albtraum für die Regierung in Tokio, die seit Jahren gegen eine zu starke Währung kämpft.

Tokio. „Wir werden alles tun“, sagt Japans Premierminister, Shinzo Abe, dieser Tage in die Mikrofone. Taro Aso, sein Finanzminister, hat schon Markteingriffe in Aussicht gestellt. Und Haruhiko Kuroda, der Gouverneur der Zentralbank, teilte mit: „Wir stehen bereit, um die Märkte mit genügend Liquidität zu versorgen.“ Die drei wichtigsten geld- und wirtschaftspolitischen Entscheider der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft eilen diese Woche von Notfalltreffen zu Notfalltreffen, in Kürze dürfte einmal mehr im großen Stil neues Geld gedruckt werden. Japan wappnet sich, um sich vor dem Sturm zu schützen, der jetzt vor dem Inselstaat aufzieht.

Was ist los? Als Großbritannien vergangene Woche für den Brexit stimmte, den Austritt aus der Europäischen Union, stockte der Weltwirtschaft der Atem, und einer der größten Leidtragenden ist Japan. Denn die Finanzmärkte schoben ihr Geld schnell raus aus Großbritannien, rein in den sicheren Hafen in Ostasien. Dort, wo zwar geringe Zinsen gezahlt werden, aber eine relativ robuste Wirtschaft, politische Stabilität und deshalb eine starke Währung für sicher gehalten wird. So hat der Wert des Yen seit Mitte vergangener Woche gegenüber dem Euro um knapp ein Zehntel zugelegt, gegenüber dem Pfund wurde er um fast 15 Prozent stärker. Genau das allerdings will Premier Shinzo Abe für seine exportorientierte Heimat vermeiden.

Ein starker Yen ist für dessen Wirtschaftspolitik wie ein Schlag in die Magengrube. Seit Abe vor knapp vier Jahren sein Amt antrat, hat er immerzu versprochen, mit Konjunkturprogrammen, liberalisierenden Strukturreformen und einer noch lockereren Geldpolitik als schon zuvor die alten Wachstumsraten wieder herbeizuführen. Als Japans Volkswirtschaft Anfang 2013 tatsächlich bemerkenswerte Quartalswerte erreichte, dachten viele, die Abenomics genannte Politik könnte aufgehen. Aber bald verpufften die anfänglichen Wachstumseffekte.

Seither ist Japan zwischenzeitlich in eine Rezession gerutscht, sieht sich derzeit einmal mehr auf dem Weg der Erholung. Dass die Antwort auf den unverhofften Brexit nun einmal mehr eine gelockerte Geldpolitik sein dürfte, verwundet nicht, wenn man den wirtschaftspolitischen Hintergrund der vergangenen 15 Jahre kennt. Anfang der Jahrtausendwende begann die Regierung, im großen Stil Staatsanleihen aufzukaufen. Nachdem 1990 eine riesige Spekulationsblase geplatzt war, hatte ein bis dahin jahrzehntelanger Wirtschaftsboom plötzlich sein Ende gefunden. Konsum und Investitionen ließen nach, die Preise fielen. Fortan wurde in Erwartung auf auch künftig fallende Preise lieber gespart als investiert. Da der Zins schon damals an der Nulllinie lag, kaufte die Bank of Japan Staatspapiere auf.

Spekulationsblase befürchtet

Die lockere Geldpolitik könnte heute allmählich zum Problem werden. Die Bank of Japan sitzt mittlerweile auf gut einem Drittel der japanischen Staatsschulden, bei Abes Amtsantritt im Dezember 2012 lag dieser Anteil noch bei zwölf Prozent. Wird dieses Tempo des Schuldenaufkaufs gehalten, hat die Notenbank bis Anfang 2018 die Hälfte der japanischen Staatschulden in ihren Büchern.

Zudem erreicht Tokios Aktienleitindex Nikkei 225 seit Abes Amtsantritt ungewohnt hohe Werte, die nicht gerade ein Spiegelbild der taumelnden japanischen Volkswirtschaft zeichnen. Im Zusammenspiel mit der lockerer Geldpolitik auch in anderen Währungsräumen befürchten Ökonomen, darunter die Ratingagentur Moody's, dass sich derzeit eine neue Spekulationsblase aufbläht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2016)

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