EM-Sponsoren: Wer zum Kuckuck ist eigentlich Socar?

Markenaufbau durch Fußballsponsoring: der Konzern Socar.
Markenaufbau durch Fußballsponsoring: der Konzern Socar.Reuters
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Die heute zu Ende gehende Fußball-EM fungierte auch als Bühne für Exoten. Nicht nur auf dem Spielfeld mischten sie – etwa in Gestalt der Isländer – mit. Auch als Sponsoren tauchten sie auf.

Man kennt sie einfach, die internationalen Stammgäste auf den bewegten Werbebanden am Rand der Fußballfelder. Der Sportartikelhersteller Adidas etwa und der Getränkekonzern Coca-Cola erstrahlten als Leuchtschriften auch bei der Fußballeuropameisterschaft in den französischen Stadien. McDonald's und der Reifenproduzent Continental warben bei den Spielen von Nizza bis Marseille. Hyundai-Kia und der Telekomkonzern Orange bei den Begegnungen von Bordeaux bis Paris. Ihr Name sprach für sich. Und wenn einer der Zuseher dennoch Fragen zu ihren Marken hatte, wusste der Sitznachbar eine Antwort. Oder beim Home-TV Kinder und Frau.

Nicht so bei Socar. Was mit „Energy of Azerbaijan“, wie das Unternehmen sich in der Werbung selbst erklärt, anfangen? Wer zum Kuckuck sponsert hier die EM, werden viele gerätselt haben? Wer oder was ist Socar?

Die Antwort führt nach Vorderasien ans Kaspische Meer. Hier, wo das schroffe Kaukasusgebirge auf erträgliche Dreitausendergipfel abfällt, liegen vor der Küste reiche Öl- und Gasvorkommen. Und hier, wo schon die schwedische Familie Nobel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die nachmalig weltweit bedeutendste Ölgesellschaft Nobel Brothers Petroleum Producing Company gegründet hat, pumpt heute Socar die Energieträger aus dem Erdinneren. State Oil Company of Azerbaijan Republic lautet der volle Name des Konzerns. Von den Einnahmen des Landes, das bei gleicher Flächengröße um eine Million mehr Einwohner als Österreich hat, deckt er den Löwenanteil.


Umstrittene Motive. Wie bei allen Rohstoffunternehmen ging auch an Socar der Ölpreisverfall seit Sommer 2014 nicht spurlos vorbei. Der Umsatz verringerte sich im Vorjahr um knapp 17 Prozent auf 33,1 Mrd. Aserbaidschanische Manat (19,4 Mrd. Euro). Aus dem Gewinn von 2014 wurde im Vorjahr ein Verlust von 1,79 Mrd. Manat, was gut einer Milliarde Euro entspricht. Die Mitarbeiterzahl hat sich binnen eines Jahres um 10.000 auf 51.000 reduziert.

Etwaige Empörungen darüber, dass Socar trotz dieser Durststrecke Sportsponsoring betrieben hat, gehen ins Leere. Schließlich wurde der Sponsorvertrag mit dem Europäischen Fußballverband Uefa bereits Mitte 2013 fixiert. Dass Socar freilich der Uefa 90 Mio. Euro hinblätterte und damit wohlgemerkt größter EM-Sponsor war, wie André Bühler vom Deutschen Institut für Sportmarketing gegenüber dem „Deutschlandfunk“ erklärte (Socar selbst nennt auf Anfrage der „Presse am Sonntag“ keine Summe), wirft doch Fragen nach der Absicht auf. Ebenso die Tatsache, dass der aserbaidschanische Staat, in dessen Händen der Konzern liegt, seit Beginn der Unabhängigkeit Anfang der 1990er-Jahre autoritär von einem einzigen Familienclan regiert wird und etwa auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International den bescheidenen Rang 119 von 168 einnimmt.

Wie wenig zimperlich man hier mit Freiheitsrechten umgeht, weiß Khadija Ismayilova aus eigener Erfahrung. Eineinhalb Jahre saß die investigative Radiojournalistin wegen Enthüllungen von Korruption an der Staatsspitze im Gefängnis, ehe sie diesen Mai – auch auf Druck von George Clooney's Frau, Amal (Menschenrechtsanwältin) – auf Bewährung freiging. „Mit dem Sponsoring durch Socar will die Regierung ihr Image in der Welt aufpolieren“, sagt Ismayilova im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“: „So werden öffentliche Gelder vernichtet. Socar hätte intelligentere Werbemöglichkeiten, um seine Zielgruppe zu erreichen.“

Bei Socar sieht man das anders. Es gehe darum, die Marke in Europa bekannter zu machen und „ein Stück unserer Verantwortung gegenüber Europa“ zu untermauern, so ein Konzernsprecher auf Anfrage. Was hochtrabend klingt, trifft sich in der Tat mit dem Interesse der EU am Konzern, der bisher nur in der Schweiz – mit 160 Tankstellen – präsent ist. Ab 2018 soll er zehn Mrd. Kubikmeter Gas (ein Drittel mehr, als Österreich im Jahr verbraucht) in einer neuen Pipeline nach Italien liefern und so zumindest ansatzweise die russische Übermacht auf dem europäischen Gasmarkt brechen.

Revolution 2020. Russland selbst hat gezeigt, wie man mit Staatskonzernen über den Sport massiv in Europa wirbt. So sponsert der Gasriese Gazprom in Deutschland Schalke 04. Andere Länder sind dem Beispiel längst gefolgt. Qatar Airways beispielsweise besitzt den Club Paris Saint-Germain.

Bei der EM in Frankreich war Socar nicht der einzige Newcomer. Der chinesische Elektronikkonzern Hisense machte nach eigenem Bekunden 50 Mio. Euro für die EM-Werbung locker. Hisense ist Marktführer unter den Fernsehproduzenten in China. Weltweit hält man erst knapp sechs Prozent Marktanteile hinter Samsung und LG. Expansion ist daher großgeschrieben und darf auch Geld kosten. „Diese Unternehmen, die staatlich gefördert sind, haben eine ganz andere Ausstattung als andere Sponsoren“, so der Marketingexperte Bühler.

Der Uefa verschaffte das Rekordeinnahmen. Die zehn globalen Hauptsponsoren brachten 400 Mio. Euro ein – um 27,4 Prozent mehr als bei der vorigen EM. „Für exotische Marken ist die EM interessant, da sie damit in ganz Europa ein breites Publikum erreichen“, sagt Hans-Willy Brockes, Erfinder der Europäischen Sponsoringbörse ESB, zur Schweizer Zeitung „Blick“: Für europäische Marken sei eine EM hingegen weniger interessant. „Die Firmen sind hier schon bekannt und werben deshalb viel gezielter.“ Auch seien Sponsoringpreise gemessen am Nutzen zu hoch. Aber die EM 2020 werde auch für Europäer wieder attraktiver, so Brockes: Dann nämlich werde mit einem neuen Verfahren Bandenwerbung so individualisiert, dass auf den TV-Schirmen etwa Audi in Deutschland den A3 und gleichzeitig in der Schweiz den Q5 bewerben könnte.

Eckdaten

Die Uefa verdiente mit ihren zehn internationalen Hauptsponsoren bei der EM in Frankreich 400 Mio. Euro.

Bei der EM vor vier Jahren waren es noch 314 Mio. Euro.

Der starke Zuwachs an Sponsorengeldern ist vor allem den exotischen Newcomern aus autoritären Staaten zu verdanken.

Die finanziell freigiebigsten Unterstützer waren der aserbaidschanische Öl- und Gaskonzern Socar sowie das chinesische Elektronikunternehmen Hisense.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2016)

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