England bleibt cool, Japan debattiert Helikoptergeld

File photo of city workers walking past the Bank of England in the City of London
File photo of city workers walking past the Bank of England in the City of London(c) REUTERS (TOBY MELVILLE)
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Anders als von den Märkten erhofft, senkt die Bank of England die Zinsen (noch) nicht. Aber die Debatte über sogenanntes Helikoptergeld in Japan beflügelt die Kurse. Druckt die Bank of Japan bald Geld direkt für den Staat?

London/Wien. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. So schätzt die britische Notenbank die Situation ein – nach der Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die Europäische Union zu verlassen. Die Bank of England verzichtete deshalb am Donnerstag auf eine weitere Zinssenkung, entgegen den Erwartungen einiger Marktbeobachter. Viel Spielraum nach unten haben die Währungshüter aber ohnehin nicht, denn die Zinsen befinden sich bereits seit 2009 auf einem Rekordtief von 0,5 Prozent. Nur ein Mitglied des neunköpfigen Direktoriums der Bank of England (BoE) stimmte gegen die Beibehaltung des Zinssatzes.

Das zuletzt arg gebeutelte Pfund dankte es der BoE und legte gegenüber dem Dollar zwischenzeitlich um bis zu 2,5 Prozent zu. Ganz ohne Zuckerl für die Märkte wollten die Notenbanker dann aber doch nicht dastehen. So streuten sie zumindest Hinweise auf Lockerungen im August. „Das Komitee hat verschiedene Lockerungsoptionen debattiert“, heißt es in den Protokollen der Sitzung. Das genaue Ausmaß etwaiger weiterer Maßnahmen müsse auf den aktuellen Daten des August basieren. Mehr Informationen gab man am Donnerstag nicht bekannt.

BoE-Chef Mark Carney hat zuvor aber schon Hinweise darauf gegeben, wie zusätzliche Stimuli aussehen könnten. So könne die Notenbank den Zinssatz von 0,5 auf 0,0 Prozent senken und bereits laufende Anleihen-Ankaufprogramme ausweiten, etwa indem zusätzliche Wertpapiere für Aufkäufe in Betracht gezogen werden. Die Europäische Zentralbank hat zuletzt vorgezeigt, was damit gemeint ist. Sie kauft seit einigen Monaten zusätzlich zu Staatsschulden auch Anleihen von Unternehmen mit frisch gedrucktem Geld, um die Inflation und das Wachstum anzuregen. Carney hat zudem überlegt, den Zeithorizont für das Erreichen des Inflationszieles zu verkürzen, um dem Markt zusätzliche, aggressive Maßnahmen zu signalisieren.

Ben Bernanke hat eine Idee

Die Märkte waren trotz hoher Erwartungshaltung von der Untätigkeit der britischen Notenbank aber nicht sonderlich beeindruckt. Der Grund: In Japan werden die angestrebten Inflationsziele seit Jahren verfehlt – und da selbst die weltweit aggressivste Geldpolitik dies noch immer nicht ändern konnte, zieht man nun Dinge in Betracht, die vor wenigen Jahren noch als vollkommen verrückt abgetan worden wären.

So ist die Debatte um das sogenannte Helikoptergeld inzwischen in den obersten Zirkeln von Regierung und Zentralbank angekommen. Das liegt auch daran, dass sich der ehemalige Chef der US-Notenbank Federal Reserve Ben Bernanke eingemischt hat.

Bernanke schlägt Japan nicht weniger vor als die direkte, offene und dauerhafte Finanzierung des japanischen Staatshaushalts zur Deflationsabwehr. Dabei wird natürlich kein Geld aus einem Hubschrauber abgeworfen. Vielmehr soll der japanische Staat laut dem Bernanke-Plan Anleihen ohne Ablaufdatum ausgeben, die auch nicht auf dem Markt handelbar sein sollen. Ein derartiges Vorgehen haben die Zentralbanken bisher abgelehnt, weil es zwar für Inflation sorgen kann – aber auch für viel zu viel Inflation. Wenn das Vertrauen in den Wert einer Währung zusammenbricht, kommt es zur Hyperinflation. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2016)

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