Microsofts heimlicher Hit

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Der angestaubte Riese Microsoft hat den Computer neu gestartet und alle Updates installiert. Das Cloud-Geschäft läuft – und sogar die Suchmaschine Bing bringt immer mehr Geld.

Wien/Redmond/New York. Microsoft – das klingt nach Excel, Word und Windows; nach Büro und Produktivität; bodenständig und langweilig. Aber der Computergigant aus dem nordwestlichen US-Bundesstaat Washington hat längst mehr zu bieten als bloß Tabellenkalkulation und endlose Windows-Updates, die einen Neustart benötigen. Um es pathetisch zu sagen: Microsoft hat sein eigenes Update installiert und den Computer neu gestartet.

Seit der neue CEO, Satya Nadella, vor zwei Jahren von Urgestein Steve Ballmer übernommen hat, hat der Konzern endgültig den Schritt ins 21. Jahrhundert geschafft. Das zeigen auch die neuesten Zahlen, denn das Geschäft mit sogenannten Cloud-Diensten, also Softwarelösungen im Web, läuft ausgezeichnet. Die Microsoft Abteilung Azure, in der das Cloud-Geschäft angesiedelt ist, hat ihren Umsatz im vergangenen Quartal locker verdoppeln können.

Und die neue Abo-Variante der Office-Programme (Excel, Powerpoint, Word etc.) erfreut sich ebenfalls großer Beliebtheit. Bei Geschäftskunden gab es ein Umsatzplus von 54 Prozent und bei Konsumenten immerhin ein Plus von 19 Prozent. Insgesamt konnte Microsoft den Konzernumsatz um zwei Prozent auf 22,6 Mrd. Dollar steigern. Azure und die Office-Abteilung konnten dazu 6,7 respektive 6,9 Mrd. Dollar beitragen. Am meisten verdient Microsoft aber immer noch mit dem klassischen PC-Geschäft: 8,9 Mrd. Dollar Umsatz.

Bing ist größer als Twitter

Was unterm Strich bleibt, ist ein Gewinn von 3,12 Mrd. Dollar. Vor einem Jahr machte der Konzern noch Verluste im Ausmaß von mehr als drei Mrd. Dollar. Das lag aber an Abschreibungen als Folge der Übernahme von Nokia. Die Smartphone-Sparte gehört bis heute zu den Problemfeldern für den Konzern, der auf Handys bisher kein Mittel gegen Googles Betriebssystem Android und Apples iPhones finden konnte.

Daran wird auch der ambitionierte Plan scheitern, das Betriebssystem Windows 10 bis 2018 auf einer Milliarde Endgeräten zu installieren – Microsoft bleibt einfach zu schwach auf dem Smartphonemarkt. Die Erlöse im Handygeschäft stürzten auch im vergangenen Quartal böse ab: minus 71 Prozent.

Dass eine Position der Schwäche für Microsoft aber noch keine endgültige Niederlage bedeuten muss, lernen Beobachter anhand eines unerwarteten Erfolgs: Bing. Die Suchmaschine führt seit mittlerweile sieben Jahren ein Schattendasein hinter Google. Das Ziel, den Suchgiganten zu ärgern, konnte nie erreicht werden. Aber in den letzten Jahren ist etwas geschehen.

Trotz des abgeschlagenen zweiten Platzes in der Hitparade der Suchmaschinen hat sich Bing für Microsoft als Geldmaschine erwiesen. Die Suchmaschine hat im abgelaufenen Geschäftsjahr durch Werbung einen Umsatz von 5,3 Mrd. Dollar generiert. Das Umsatzwachstum für die neun Monate bis Ende März liegt mit 43 Prozent nur knapp hinter dem Branchenprimus YouTube (50 Prozent). Bing verdient für sich genommen mehr als zweimal so viel Geld wie der Kurznachrichtendienst Twitter.
Wie beeindruckend der Erfolg von Bing ist, kann nur verstanden werden, wenn man bedenkt: Die Suchmaschine hat über viele Jahre einen Milliardenverlust eingefahren. Aber seit Microsoft den Versuch aufgegeben hat, Yahoo zu kaufen – und stattdessen Bing per Kooperationsvertrag in die Yahoo-Dienste einbindet, hat sich das Blatt gewendet.

Integration bei Windows 10

Ein zweiter wichtiger Faktor ist die schlaue Einbettung von Bing in das neue Betriebssystem, Windows 10, den Nachfolger für das unbeliebte Windows 8. Wie es derzeit schick ist, beinhaltet Windows 10 einen „persönlichen Assistenten“, der sich auch per Sprache steuern lässt. Bei Apple heißt das „Siri“. Bei Microsoft trägt der Assistent den eigenwilligen Namen „Cortana“.

Wer „Cortana“ eine Frage stellt – egal, ob sprachlich oder per Tastatur – landet automatisch bei Bing. Und weil Windows auf Computern noch immer das mit Abstand wichtigste Betriebssystem ist – und Microsoft die Umstellung von „Cortana“ auf Google unterbunden hat – kommen inzwischen 40 Prozent des Bing-Umsatzes durch Windows-Anfragen zustande. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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