IWF-Chefin Lagarde muss sich vor Gericht verantworten

Christine Lagarde
Christine LagardeAPA/AFP/GETTY IMAGES/Drew Angere
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Eine höchst umstrittene Entschädigungszahlung für den Geschäftsmann Bernard Tapie könnte Lagarde zum Verhängnis werden.

Christine Lagarde, die französische Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), muss in ihrer Heimat vor Gericht. Das französische Kassationsgericht wies den Revisionsantrag von Lagardes Anwälten am Freitag ab. Lagarde muss sich nun vor einem speziellen Gericht verantworten, dem Cour de Justice de la Repulique. Dieser Gerichtshof untersucht mögliche Vergehen von Ministern während ihrer Amtszeit.

Im Fall von Lagarde geht es um ihre Rolle als damalige Finanzministerin in der sogenannten Tapie-Affäre. Lagarde drohen theoretisch ein Jahr Haft und eine Geldstrafe von 15.000 Euro – vor allem aber ein herber Image-Verlust. Die IWF-Chefin war bereits im August 2014 in der Affäre um eine umstrittene Millionen-Entschädigungszahlung an den Geschäftsmann Bernard Tapie formell beschuldigt worden. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Tapie hatte im Jahr 1990 die Aktienmehrheit des Sportartikelherstellers Adidas gekauft. Vier Jahre später beauftragte er die Bank Crédit Lyonnais mit dem Verkauf seiner Anteile. Die Bank kaufte die Aktien dann selbst und gab sie später an den Geschäftsmann Robert Louis-Dreyfus weiter – allerdings für fast das Doppelte des ursprünglichen Kaufpreises. Tapie fühlte sich betrogen und klagte. Ein erstes Urteil wurde von einem Berufungsgericht zurückgenommen. Aber Tapie gab nicht auf – und hier kommen der französische Staat und Lagarde ins Spiel.

Bernard Tapie
Bernard Tapie APA/AFP/BORIS HORVAT



Die Ermittler werfen ihr Nachlässigkeit im Umgang mit öffentlichen Geldern vor. Ein von der damaligen Finanzministerin Lagarde angerufenes privates Schiedsgericht hatte Tapie nämlich im Jahr 2008 staatlichen Schadenersatz in Höhe von mehr als 400 Mio. Euro zugesprochen. Schnell kam aber der Verdacht auf, dass Tapie wegen seiner Nähe zum damaligen Staatschef Nicolas Sarkozy eine Vorzugsbehandlung erhielt. Im Zuge der Ermittlungen rund um die Tapie-Affäre wurde auch das eigenartige Verhältnis zwischen Lagarde und ihrem damaligen Präsidenten Sarkozy beleuchtet. So wurde bei einer Hausdurchsuchung ein undatierter Brief Lagardes an Sarkozy gefunden, der wahrscheinlich aus dem Jahr 2007 stammt.

Die französische Zeitung „Le Monde“ druckte den Brief damals ab. In diesem gibt sich die sonst eher selbstbewusste Frau gegenüber dem französischen Präsidenten gar unterwürfig. Lagarde schrieb damals an Sarkozy: „Benutz mich so lange, wie es dir passt und wie es deiner Aktion und deinem Casting entspricht. Wenn du mich brauchst, benötige ich deine Führung und Unterstützung: Ohne Führung wäre ich ineffizient, ohne Unterstützung wäre ich nicht sehr glaubwürdig. Mit meiner immensen Bewunderung, Christine L.“

Ermittlungen gegen Tapie

Auch ist Lagarde nicht die erste französische IWF-Chefin, die Probleme mit der Justiz hat. Sie wurde erst auf ihren Posten gehievt (und zwar von Nicolas Sarkozy), nachdem ihr Vorgänger als IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs zurücktreten musste. In der Tapie-Affäre laufen inzwischen Ermittlungen gegen Bernard Tapie selbst und mehrer weitere Verdächtige wegen Betrugs. Anfang Dezember 2015 hatte ein Berufungsgericht Tapie bereits dazu verurteilt, die auf den Schiedsspruch aus dem Jahr 2008 zurückgehenden Entschädigungs-Millionen zurückzuzahlen.

Lagarde wird von den Ermittlern vorgeworfen, das private Schiedsgericht eilfertig und „schlecht vorbereitet“ angerufen zu haben. In der Kritik steht auch die Entscheidung, den Schiedsspruch nicht angefochten zu haben. Lagarde beteuert, sie habe „in dieser Angelegenheit immer im Interesse des Staates und in Achtung vor dem Gesetz gehandelt“. Die Ermittlungskammer des Gerichtshofs der Republik, der als einziges Gericht in Frankreich über mögliche Vergehen von Ministern bei ihrer Amtsausübung urteilen kann, beantragte aber im vergangenen Dezember einen Prozess gegen Lagarde. Diese legte umgehend Rechtsmittel dagegen ein, scheiterte nun aber.

Der IWF hat sich in der Affäre stets hinter seine 60-jährige Chefin gestellt, die sich in ihrer zweiten Amtszeit befindet. Auch am Freitag hat der Verwaltungsrat des Internationalen Währungsfonds (IWF) seiner Chefin trotz des in Frankreich drohenden Prozesses sein Vertrauen ausgesprochen. Der Verwaltungsrat sei über die „jüngsten Entwicklungen informiert und habe weiterhin Vertrauen in Lagardes „Fähigkeiten zur Wahrnehmung ihrer Pflichten“, so der IWF. (ag./red.)

(Ag./Red.)

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