Die griechische Olivenoffensive

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Oliven(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Eine starke Forcierung der Exporte soll die griechische Wirtschaft retten. Wie die Produkte Olivenöl und Aluminium zeigen, ist das nicht immer ganz einfach. Viele kleine Produzenten wirtschaften an den Erfordernissen der Exportmärkte vorbei.

Sie schaffen es nicht!“ – Was bereits im Jahr 2000 ein österreichischer Handelsdelegierter in Athen erkannte, stellte die gesamte Welt ein paar Jahre später fest: Griechenland war seit Langem nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Leistungsbilanz verschlechterte sich im ersten Jahrzehnt des Jahrtausends rasant, Griechenland konsumierte – auf Pump -, doch es exportierte nicht. 2008, im Jahr vor der griechischen Krise, machten die Warenexporte gerade einmal ein Drittel der Importe aus.

Als dann im Gefolge der Krise nicht mehr konsumiert wurde, stürzte das Land in eine beispiellose Rezession. Den griechischen Unternehmen fehlten die Werkzeuge, den Zusammenbruch des Inlandsmarktes auszugleichen. Das bedeutete das Aus für Tausende griechische Firmen, die sich nicht anpassen konnten, die zu klein oder nicht gut genug waren, um ihre Produkte im Ausland abzusetzen.
Und doch hat es sie immer gegeben, die griechischen Exportkaiser, die erfolgreich ins Ausland drängten, die auch in den Krisenjahren ab 2009 weitermachten, trotz Finanzierungsengpässen, trotz Kontrollen im Kapitalverkehr. Ihr Rohstoff ist zumeist das, was die griechische Erde hergibt – landwirtschaftliche Produkte, Mineralien – der Rest gezielte, geduldige Arbeit.

„Einen Auslandsmarkt kann man nicht von heute auf morgen aufbauen. Sie brauchen einen Businessplan – und Sie müssen Geduld haben, es dauert normalerweise fünf Jahre, bis sich die ersten Erfolge einstellen“, sagt Aris Kefalogiannis, Gründer von Gaea, einem der Marktführer im Export von griechischem Olivenöl.

Seine Firma mit Produktion bei Agrinio in Westgriechenland setzt 80 Prozent ihrer Waren im Ausland ab. Mit 12 Millionen Euro Umsatz 2015 und geschätzten 15 Millionen im laufenden Jahr liegt Gaea im Exportgeschäft sogar vor den Inlandsplatzhirschen Minerva und Elais.

Neues Wirtschaftsmodell

Firmen wie Gaea stellen für die griechischen Regierungen der letzten Jahre Prototypen des „neuen Wirtschaftsmodells“ dar, das Griechenland aus der Krise führen soll. Man will gezielt Produkte mit „Mehrwert“ und Exportorientierung fördern. Produktive landwirtschaftliche Produkte wie Joghurt, Feta, Olivenöl und die damit verbundene verarbeitende Industrie stehen ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Ergebnisse allerdings sind auf den ersten Blick ernüchternd. Die griechischen Exporte haben sich in den letzten Jahren nur langsam gesteigert, und 2015 gab es sogar einen Rückgang um fünf Prozent.
Doch immerhin konnte die Exportwirtschaft ihre Umsätze trotz der Krise halten – und da in der gleichen Zeit die restliche Wirtschaft stark schrumpfte, hat sich ihr Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung verdoppelt: von etwa acht Prozent bis 2009 auf heute 15 Prozent. Das ist im europäischen Vergleich immer noch schwach, aber ein großer Fortschritt.

Auf den zweiten Blick war auch 2015 ein gutes Jahr: Da jedoch die auf vier Erdölraffinerien gestützten Erlöse aus den Erdölexporten, dem Hauptausfuhrgut des Landes, durch den Verfall der Ölpreise 2015 einbrachen, wird der sprunghafte Anstieg der restlichen Exporte um acht Prozent verdeckt – ein Anstieg, der vor allem angesichts der Verhängung der Kapitalkontrollen Ende Juni 2015 und der Grexit-Panik beeindruckt.

Mit 545 Millionen Euro Einnahmen lag natives Olivenöl im Jahr 2015 an vierter Stelle der griechischen Exportgüter, nach Erdöl, Pharmazeutika und Aluminium. Griechenland ist nach Italien und Spanien der drittgrößte Olivenproduzent weltweit. Doch immer noch kommen 85 Prozent der Ernte unabgefüllt auf den Markt.

Die Bauern haben oftmals weder die Mittel noch das Know-how, in die Produktion zu investieren. Die Gewinnspannen freilich sind durch Abfüllung und Etikettierung weitaus höher, daher versuchen viele Produzenten und Genossenschaften heute, ihre Produkte abzufüllen und zu etikettieren und das Öl selbst im Ausland zu vermarkten. Doch sie scheitern meist.

Kefalogiannis: „Einerseits sind die Produktionen zu klein und können den Markt nicht bedienen. Außerdem können sich unbekannte Marken international kaum durchsetzen. Für viele Griechen ist das Wort Kooperation leider immer noch ein Fremdwort. Ich muss erst einen Markt schaffen, bevor ich um ihn kämpfe.“ Es gebe Dutzende geschützte Ursprungsbezeichnungen von Orten, die der Konsument nicht kenne. Da wäre es besser, beispielsweise gemeinsam geschützte geografische Angaben wie „Kreta“ zu verwenden, mit denen der Käufer etwas anfangen kann.
Die Aussichten für das Olivenöl sind insgesamt rosig. „Der weltweite Wellnesstrend steigert den Olivenkonsum“, sagt Kefalogiannis. Sein Unternehmen folgt den Trends: So hat Gaia nach langer Forschung einen Oliven-Snack ohne Konservierungsmittel kreiert. Hauptabsatzmärkte sind die USA und Deutschland.

In Österreich ist das Unternehmen weniger präsent. Hierzulande ist ein anderer Trendsetter aus Griechenland stark vertreten. Der Österreicher Fritz Bläuel macht schon seit vielen Jahren mit seinem Mani-Olivenöl vor, wie man im Ausland erfolgreich eine Marke aufbaut.

Starke Aluminiumindustrie

Normalerweise wird Griechenland zu einer Dienstleistungsgesellschaft erklärt angesichts der dominierenden Rolle von Tourismus, Handel und anderer Dienstleistungssparten. Doch das Land verfügt über die größten europäischen Bauxitvorkommen, die Folge ist die Existenz einer nicht unbedeutenden Aluminiumindustrie.
Möglich wurde das allerdings erst durch eine ausländische Investition. Die französische Pechiney gründete in den Sechzigerjahren eine Produktionsstätte mit eigenem Hafen direkt bei den Abbaugebieten in Böotien – das war der Beginn der griechischen Aluminium verarbeitenden Industrie. 2005 kaufte die griechische Gruppe Mytilinaios die Aluminium of Greece und setzte die Produktion mit französischem Know-how fort.

Als jedoch infolge der Krise der griechische Baumarkt zusammenbrach, wurden Tausende mittlere und kleine Aluminiumfirmen, die sich völlig auf das Inland konzentriert hatten, hart getroffen und mussten schließen. Ihre Produkte waren auf dem anspruchsvollen ausländischen Markt nicht zu verkaufen. Die großen Anbieter allerdings konnten sich umstellen und konzentrierten sich auf den Export. Mit 1,3 Milliarden Euro rangiert Aluminium in verarbeiteter und unverarbeiteter Form heute an dritter Stelle der Ausfuhren.

Doch Aluminium of Greece gibt nur etwa ein Drittel ihrer Produktion an den Inlandsmarkt ab, Waren im Wert von über 300 Millionen Euro gehen jährlich ins Ausland, hauptsächlich in den EU-Raum. Der lokale Wert des Aluminium-Rohstoffs Bauxit ist nicht in Gold aufzuwiegen – praktisch ganz Westböotien lebt von dem rötlichen, staubigen Gestein. Es gibt noch viele andere Beispiele, die zeigen, dass ein „neues Wirtschaftsmodell“ für Griechenland keine Utopie sein muss. Doch bis dahin braucht es sicherlich vor allem eines: viel Geduld.

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