Analyse: Wenn Kapitalmangel stresst

Europe Banks
Europe Banks(c) Luca Bruno / AP / picturedesk.co (Luca Bruno)
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Der Banken-Stresstest zeigt, dass die Branche noch einen langen Sanierungsweg vor sich hat. Beunruhigend, dass ausgerechnet die Großen so schwach dastehen.

Zuerst, wie immer, die gute Nachricht des europäischen Banken-Stresstests: Von Skandinavien wird in der nächsten Rezession keine Bankenkrise ausgehen. Acht der im Testergebnis gelisteten Top-Ten-Banken haben ihre Zentrale im hohen Norden. Und alle würden selbst nach einer mehrjährigen Rezession – dem Stresstest-Szenario – noch immer über sagenhafte Eigenkapitalquoten verfügen. Über höhere jedenfalls, als die meisten geprüften deutschen und österreichischen Banken vor dem Stressszenario aufweisen.

Und jetzt die schlechte Nachricht: Auf den letzten zehn Plätzen, also auf jenen, die den Banken vorbehalten sind, die von einer Rezession am härtesten hergenommen würden, tummelt sich die Crème der europäischen Bankenlandschaft. Die Deutsche Bank und die Commerzbank finden wir hier ebenso wie die französische Société Générale, die britische Barclays sowie die italienische Bank-Austria-Mutter UniCredit. Und natürlich die österreichische Raiffeisen Zentralbank, deren Kernkapitalquote im simulierten Stress auf 6,1 Prozent fallen würde. Das ist der blamable zweit- oder drittschlechteste Wert unter den 51 geprüften Instituten, je nachdem, ob man das geltende Kapitalrecht oder die kommende Basel-III-Regelung für die Bewertung heranzieht.

Mit anderen Worten: Die ersten Kommentare aus der Branche, wonach der Stresstest „insgesamt zufriedenstellend“ ausgefallen sei und der Sektor seine Hausaufgaben gemacht habe, waren ganz offenbar ein bisschen sehr optimistisch. Die Bankenprobleme sind auch im Jahr acht nach Ausbruch der großen Finanzkrise noch immer da. Für Entwarnung ist es viel zu früh.

Sicher: Die Institute, auch die großen, haben ihre Kapitalpositionen in den vergangenen Jahren zum Teil deutlich verbessert. Aber es reicht eben noch lange nicht. Und dass gerade die größten europäischen Banken die größten Probleme mit ihrer Kapitalausstattung haben, sorgt auch nicht gerade für guten Schlaf. Denn eine Deutsche Bank, deren Bilanzsumme annähernd das Fünffache des österreichischen BIP ausmacht, oder eine UniCredit wären nicht so einfach aufzufangen. Da kämen selbst große Volkswirtschaften schnell an ihre Grenzen.

Keine unmittelbare Gefahr. Natürlich: Unmittelbare Gefahr geht vom Bankensektor derzeit nicht aus. Aber im Ernstfall kann sich das sehr schnell ändern. Schon allein wegen der engen internationalen Verzahnung der globalisierten Bankenwelt. Ein Beispiel: Italien steckt derzeit, nicht zuletzt wegen der gigantischen Summe von 360 Mrd. Euro an faulen Krediten, in einer heftigen Bankenkrise. Ein breitflächiger Bankencrash wäre aber keinesfalls ein inneritalienisches Problem. Allein deutsche Institute haben in der italienischen Bankenwelt mehr als 80 Mrd. Euro im Feuer.

Es ist also mehr als gerechtfertigt, wenn die Aufsichtsbehörden besonderes Augenmerk auf die Kapitalausstattung der Institute legen und auch entsprechende Maßnahmen einfordern. Damit sind wir aber schon beim nächsten Dilemma: Kapitalaufbau ist im derzeitigen Umfeld sehr schwierig. Dieser kann beispielsweise über einbehaltene Gewinne erfolgen. Das setzt aber wiederum Gewinne voraus, die im derzeitigen Zinsumfeld sehr schwer zu erzielen sind.

Die zweite Möglichkeit, Geld vom Kapitalmarkt zu holen, hat derzeit auch wenig Anhänger unter Bankern. Der Grund: Die Börsenkurse sind zur Zeit (nicht ohne Grund) extrem niedrig. Deutsche Bank, Commerzbank, UniCredit und Co. haben in den vergangenen Monaten mehr als 60 Prozent ihres Börsenwertes verloren. Auf diesem Niveau müsste man für relativ wenig Geld relativ viele Anteile abgeben, was den Altaktionären natürlich nur begrenzt gefällt.

Der konjunkturelle Effekt ist auch nicht zu unterschätzen: Der Kapitalaufbau schränkt die Möglichkeit der Kreditvergabe ein. Das ist einer der Gründe dafür, dass trotz herumschwirrender Notenbank-Billionen die Kreditfinanzierung nicht in Gang kommt.

Knifflige Aufgabe. Die Bankenaufseher stehen derzeit also vor einer kniffligen Aufgabe: Die Kapitalanforderungen noch mehr anzuziehen, die Banken damit sicherer zu machen, zugleich aber die Konjunktur einzubremsen. Oder die Zügel schleifen zu lassen – und zu riskieren, dass die nächste Bankenkrise wieder heftig ausfällt und erneut vom Steuerzahler beglichen werden muss. Denn den Bankenabwicklungsfonds, der eines der großen europäischen Institute auffangen könnte, wird es noch lange nicht geben.

Müssen wir uns also fürchten? Unmittelbar nicht unbedingt. Aber der Bankensektor ist noch weit davon entfernt, wirkliche Stabilität erlangt zu haben. Nicht nur wegen der anhaltenden Eigenkapitalschwäche. Sondern auch, weil die von vielen als notwendig erachtete Strukturbereinigung noch immer aussteht.

Aber es wird wenigstens saniert. Auch in Österreich, wo die Raiffeisengruppe, die so inferior abgeschnitten hat, mittels Fusionen und Anteilsverkäufen den Scherbenhaufen gerade aufräumt. Das hätte freilich schon längst geschehen können: Die Probleme im Raiffeisen-Reich sind den Akteuren selbst seit Langem bewusst. Gruppeninterne Machtspielchen, wie sie in föderal organisierten Systemen nicht unüblich sind, haben eine vernünftige Lösung aber um Jahre verschleppt.

Zeugnis

Test. Die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA hat getestet, wie stark die Eigenkapitalquoten der 51 wichtigsten europäischen Banken in einem simulierten Stressszenario (drei Jahre Rezession) zurückgehen würden.

Ergebnis.Skandinavische Banken sind äußerst stressresistent, die großen europäischen Bankhäuser weniger. Sorgenkinder sind italienische, irische und zwei deutsche Banken – und die österreichische RZB, die im Ranking weit hinten landete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2016)

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