Gabriel zieht in der Causa Edeka seine letzte Karte

Hat Sigmar Gabriel beim Verkauf der Kaiser's-Supermarktkette befangen agiert? Der Minister wehrt sich – um Arbeitsplätze zu retten, wie er sagt.
Hat Sigmar Gabriel beim Verkauf der Kaiser's-Supermarktkette befangen agiert? Der Minister wehrt sich – um Arbeitsplätze zu retten, wie er sagt. (c) APA/AFP/PATRIK STOLLARZ
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Der Wirtschaftsminister wehrt sich mit allen Rechtsmitteln gegen den Stopp der Edeka-Kaiser's-Fusion – und gegen den fatalen Vorwurf, er sei befangen und schlampig gewesen.

Wien. Wenn ein Politiker mit dem Rücken zur Wand steht, bleibt ihm nur noch die Flucht nach vorn. Der deutsche Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, kämpft nun „mit allen Rechtsmitteln“ gegen ein Gericht. Im Juli hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf dem SPD-Vizekanzler eine schallende Ohrfeige versetzt: Es stoppte in einer Eilentscheidung die Übernahme der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser's Tengelmann durch den Marktführer Edeka. Eine Fusion, die Gabriel gegen alle Widerstände der Wettbewerbshüter durchboxen wollte. Schlimmer noch: Die Richter warfen dem Minister schwere Verfahrensfehler vor. Es bestehe die Sorge, dass Gabriel befangen und nicht neutral gehandelt habe.

Kein Einspruch zugelassen: Genau dagegen wehrt sich nun das Ministerium beim Bundesgerichtshof, der höchsten Instanz, die ihm verwehrt wurde. Experten geben der „Nichtzulassungsbeschwerde“ wenig Chancen. Aber Gabriel muss sich wehren, um seine Reputation zu retten – und seine Chancen als SPD-Kandidat für die Bundestagswahl 2017 nicht ganz zu verspielen.

„Es lohnt sich zu kämpfen“, sagt der Politiker. Wobei er freilich nicht seinen Arbeitsplatz meint, sondern die 15.000 verbliebenen Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann. Seit Oktober 2014 will deren Chef Karl-Ervian Haub die schwer defizitäre Kette loswerden. Verkaufen möchte er die 430 Filialen an Edeka, nicht aber an Rewe, den Zweiten im stark konzentrierten Lebensmittelhandel. Wenn das nicht bald klappt, so droht er immer wieder, bleibe nur ein Ausweg: einzelne gut gehende Standorte verkaufen und den Rest zusperren.

Bis zu 8000 Jobs stehen somit auf dem Spiel. Gabriel witterte die Chance, sich als Kümmerer zu profilieren, mit sozialem Gewissen und dem weichen Herz am linken Fleck. Zugleich wollte er bei den Gewerkschaften punkten: Er knüpfte seine Ministererlaubnis an die Bedingung, dass Edeka fünf Jahre keinen Kaiser's-Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen, einen Betriebsrat zulassen und einem Tarifvertrag zustimmen würde (um den man seit Monaten zäh ringt).

Ökonomisch haben dazu Kartellamt und Monopolkommission alles gesagt: Das simple Kalkül lässt außer Acht, wie viele Jobs bei Lieferanten verloren gehen, die ein übermächtiger Händler im Einkauf erpressen kann. Es berücksichtigt auch nicht, dass ein Anbieter mit immer dichterem Filialnetz mittelfristig größte Anreize hat, Arbeitsplätze einzusparen. Und es ignoriert die Wohlstandverluste der Bürger, die überteuerte Produkte kaufen.

Deshalb hatte das Kartellamt den Zusammenschluss 2015 verboten. Freilich: Ein Wirtschaftsminister darf sich darüber per Sondergenehmigung hinwegsetzen, wenn er selbst glaubt, damit diene er dem Allgemeinwohl. Das konnten ihm die Richter nicht vorwerfen. Sehr wohl aber Verfahrensfehler.

Geheimtreffen als Fallstrick

Gabriel agierte als politischer Strippenzieher, obwohl sein Ministerium im förmlichen Verfahren selbst Kartellbehörde war. Rewe hatte – gerade was den Erhalt von Arbeitsplätzen betrifft – ein besseres Angebot als Edeka gelegt. Dennoch lud Gabriel die Chefs von Edeka und Tengelmann zu „Geheimtreffen“ (so die Richter) und erreichte, dass der Marktführer sein Angebot nachbesserte. Geheim waren die Treffen, weil die Mitbieter Rewe und Markant nichts davon wussten und es keine Protokolle gab. Dass die Richter die Fehler aufgezeigt haben, bringt Gabriel arg in Bedrängnis. Böse Zungen münzen das Kürzel Edeka schon auf Gabriel um: als „Ende der Karriere“. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2016)

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