US-Tycoons gegen Turbokapitalismus

Warren Buffett plädiert seit jeher für langfristiges Denken.
Warren Buffett plädiert seit jeher für langfristiges Denken. (c) APA/AFP/NICHOLAS KAMM
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Namhafte US-Wirtschaftsgrößen fordern von der Finanzindustrie, weniger auf Quartalsberichte zu fokussieren und langfristig zu denken. Der Ansatz hat aber nicht nur Vorteile.

Washington. Mit vereinten Kräften für die Entschleunigung der Finanzwelt: Nach der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton fordert in den USA nun auch ein Bündnis einflussreicher Konzernlenker und Großinvestoren mehr langfristiges Denken von Unternehmen und Anlegern. 13 der mächtigsten US-Wirtschaftsgrößen – darunter Starinvestor Warren Buffett, General-Motors-Chefin Mary Barra und JP-Morgan-Boss Jamie Dimon – zweifeln den Nutzen der Flut von Quartalszahlen an, die Anleger regelmäßig in Aufruhr versetzen.

„Unsere Finanzmärkte sind zu besessen von vierteljährlichen Gewinnprognosen“, heißt es in dem neulich in US-Medien publizierten Aufruf: Firmen sollten sich bei der Vorlage der Quartalszahlen und beim Geschäftsausblick fragen, ob der Fokus auf das Erreichen kurzfristiger Ziele nicht mehr Gefahren als Vorteile bringe. Auch Larry Fink und Bill McNabb, die Chefs der Vermögensverwalter Blackrock und Vanguard, sowie General-Electric-Boss Jeff Immelt zählen zu den Unterzeichnern.

Hektischer Kreislauf

Einmal alle drei Monate gewähren börsennotierte Unternehmen Einblick in ihre Bilanzen. Das Prozedere ist bekannt: Die Analysten geben vorher ihre Erwartungen ab – und je nachdem, ob die Unternehmen sie übertreffen oder verfehlen, steigt oder fällt deren Aktienkurs. Besonders genau verfolgen die Börsianer die Prognosen, die das Management zum weiteren Geschäftsverlauf abgibt.

An diesen Zahlen müssen sich Firmen dann bereits drei Monate später wieder messen lassen. So entsteht ein Kreislauf kurzfristiger Erwartungen, die zu verfehlen wenige Chefs sich lange leisten können. Dazu kommt, dass Vorstände Aktienoptionen als Erfolgsbeteiligung erhalten. Darum wird kurzfristiger Kurspflege teils Vorrang vor dauerhafter Stabilität gegeben.

Wenn es aber nur darum geht, die Erwartungen der Wall Street zu erfüllen, kann das zum Problem für die Volkswirtschaft werden. Zum Beispiel, wenn die Ausgaben für Forschung darunter leiden – sie gelten als Schlüssel für stabile Wirtschaftskraft durch Innovation.

Wirtschaftsforscher beschäftigt das Thema schon lange. Spätestens seit der Finanzkrise 2008, als ein Häusermarkt-Boom das Finanzsystem erschütterte (nach schnellem Profit strebende Bankenmanager hatten ihn mitermöglicht), hat ein Umdenken begonnen. „Wie können Geschäftsführer strategische Entscheidungen treffen und Investitionen tätigen, die für den langfristigen Erfolg nötig sind, wenn sie hauptsächlich mit der Quartalsleistung beschäftigt sind?“, fragen sich auch Investoren und Analysten, wie eine Studie der Wirtschaftsberatung PwC ergab.

Wie Transparenz sichern?

Also einfach ein paar Gänge zurückschalten? So einfach ist es nicht. Denn ob massive Ausgaben zur Kurspflege wie Aktienrückkäufe und Dividendenzahlung wirklich zulasten von Zukunftsinvestitionen gehen, ist umstritten.

Laut PwC sind die Ausgaben der US-Unternehmen für Forschung und Entwicklung von 2007 bis 2015 um kräftige 32 Prozent gestiegen. In Europa waren es nur neun Prozent. Nur in Asien wurde deutlich mehr investiert.

Auch gilt die Quartalsberichterstattung als Instrument, um Firmen zur Transparenz zu verpflichten. „Es gibt Bedenken von Marktteilnehmern, Manager nicht mehr richtig in die Pflicht nehmen zu können, falls die vierteljährlichen Bilanzen wegfallen“, so PwC-Expertin Hilary Eastman: „Einige sprechen sich sogar für mehr Berichte aus.“ Letztlich gibt es ohnehin keine Pflicht, im Rahmen der Quartalszahlen Gewinnprognosen abzugeben. (Bloomberg/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2016)

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