Das Pfund setzt seine Talfahrt fort

Das Pfund fällt nach der Zinssenkung so tief wie nach dem Brexit-Votum.
Das Pfund fällt nach der Zinssenkung so tief wie nach dem Brexit-Votum.(c) REUTERS (LUKE MACGREGOR)
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Operation gelungen, Patient geschwächt: Die Bank of England hat das Pfund unter 1,30 Dollar gedrückt. Die Geldpolitik bleibt global so locker wie nie zuvor – Änderung nicht in Sicht.

London/Frankfurt/Tokio. Die Leitzinsen sind in England inzwischen so niedrig wie in 322 Jahren nicht, nachdem die Bank of England sie in der vergangenen Woche von 0,5 auf 0,25 Prozent gesenkt hat. Gemeinsam mit einem zusätzlichen Liquiditätsprogramm dürfte die Notenbank ihr Ziel, die negativen Auswirkungen des Brexit abzufedern, erst einmal erreicht haben.

Anders gesagt: Das Pfund sinkt und sinkt. Am Dienstag wurde der Kurs gegenüber dem US-Dollar wieder unter 1,30 gedrückt – also ungefähr auf das Niveau, das direkt nach dem Brexit erreicht wurde. Ein sinkender Kurs ist bei Aktien zwar ein schlechtes Zeichen – bei Währungen aber nicht unbedingt.

Das schwächere Pfund gehört zu den direkten (wenn auch nicht offen ausgesprochenen) Zielen der englischen Notenbanker, weil es die Exporte der Insel auf dem Weltmarkt attraktiver macht und die Inflation ankurbelt. In diesem Sinne ist London weitaus erfolgreicher als Tokio, wo seit geraumer Zeit versucht wird, den Yen mit einer extrem lockeren Geldpolitik zu schwächen – was aber nicht so recht gelingen mag.

Dass die Bank of England ihre Ziele so viel rascher erreicht als die Bank of Japan, ist auch vor diesem Hintergrund interessant: Noch schließt London die Möglichkeit negativer Zinsen, wie sie in Japan und der Eurozone herrschen, kategorisch aus.

500 Mrd. Dollar im Quartal

Aber diese isolierte Betrachtung der Volkswirtschaften für sich genommen ignoriert ohnedies, dass die ultralockere Geldpolitik auf einem globalen Level inzwischen astronomische Ausmaße angenommen hat – und die Währungshüter vor ganz neue Herausforderungen stellt. Der „Erfolg“ eines schwächeren Pfundes ergibt sich ja nur aus der relativen Abwertung zu anderen Währungen – der Realwirtschaft hilft das nur sehr wenig. Überhaupt hat der Nutzen monetärer Stimuli seit der Finanzkrise offenbar massiv abgenommen.

Derzeit werden nach Berechnungen des Ökonomen Bob Michele von J.P.Morgan Asset Management von den Zentralbanken weltweit rund 500 Mrd. Dollar im Quartal in die Märkte gepumpt. Die wichtigsten Quellen sind die EZB, die monatlich Staatsanleihen und Unternehmenspapiere im Ausmaß von 80 Mrd. frisch gedruckten Euro kauft, die Bank of Japan und die Federal Reserve.

Deren Anleihenkaufprogramm „Quantitative Easing“ ist derzeit zwar nicht aktiv, die bestehenden Anleihen werden bei Auslaufen aber ersetzt – und die Zinsgewinne reinvestiert. Heißt: Die Bilanzsumme der Fed wird nicht weiter aufgebläht, verharrt aber auf einem sehr hohen Niveau.

Zinswende verschoben

Die Bank of England hat vergangene Woche zusätzliche Staatsanleihenkäufe von rund 80 Mrd. Euro angekündigt und weitere 100 Mrd. Euro in einen speziellen Fonds gesteckt. Das Geld soll an Banken verteilt werden, um ihnen die Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen schmackhaft zu machen. Durch das ständige Wachstum der Gelddruckprogramme entfernen wir uns immer weiter von einem Normalzustand an den Märkten. Die Aktienkurse steigen in lichte Höhen, aber inzwischen ist völlig unklar, was nur liquiditätsgetrieben ist und was noch eine Basis in der Realität hat.

Die Federal Reserve hat als wichtigste globale Notenbank Ende 2015 die Zinsen zwar leicht erhöht und die lang erwartete sogenannte Zinswende eingeleitet, seitdem ist aber nichts mehr geschehen – und jeder weitere Zinsschritt wurde mit einem Verweis auf die globalen Probleme (Brexit etc.) bisher in die Zukunft verschoben. Wann der nächste Schritt kommt, ist derzeit völlig offen. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2016)

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