Weltbank: Sinnkrise im Nadelstreif

Jim Yong Kim.
Jim Yong Kim.(c) APA/AFP/THIERRY CHARLIER
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Weltbankmitarbeiter werfen ihrem Chef, Jim Yong Kim, Führungsschwäche vor und kritisieren Hinterzimmerabsprachen. Die Weltbank drohe bedeutungslos zu werden.

Washington. Fünf Jahre sind genug. Unter diesem Motto haben die Weltbankmitarbeiter eine Kampagne gegen ihren Chef, Jim Yong Kim, gestartet. In einem Brief wirft die Mitarbeitervereinigung dem Amerikaner Führungsschwäche und Intransparenz bei Postenbesetzungen vor. Gebe es keinen raschen Kurswechsel, drohe die Weltbank in die Bedeutungslosigkeit zu fallen.

Grund für die Unzufriedenheit unter den 15.000 Mitarbeitern sind einerseits die Strukturreformen, die Kim während seiner bisher vier Jahre an der Spitze der Organisation angestoßen hat. Etliche hochrangige Funktionäre sind (oder wurden) gegangen. Andererseits ist der mediale Aufschrei auch ein Signal an den 66-Jährigen, besser keine zweite Amtszeit anzustreben.

Schon im Jahr 2012 wurde die Wahl des Mediziners und Anthropologen an die Spitze der Entwicklungsbank heftig kritisiert. Aufstrebende Wirtschaftsmächte wie China und Indien fordern seit Langem mehr Einfluss in der Weltbank, mit dem nigerianischen Ex-Finanzminister Ngozi Okonjo-Iweala hatten sie schon damals einen starken Gegenkandidaten.

Doch trotz der globalen Machtverschiebungen teilen Europa und die USA die Chefposten beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank wie eh und je untereinander auf. Auch 2012 wurde nach „Hinterzimmerabsprachen“ wieder ein „männlicher Amerikaner“ an die Spitze gewählt, kritisiert die Mitarbeitervereinigung. Noch dazu einer, der die Organisation offenbar nicht aus der größten Sinnkrise seit ihrem Bestehen führen könne.

Neue Konkurrenz aus China

Mit dem Aufstieg der Schwellenländer hat die Weltbank ihre einst besten Kunden verloren. Sie können Kapital direkt auf dem Markt oder bei einer der regionalen Entwicklungsbanken aufnehmen, die weit unbürokratischer Kredite vergeben. So tritt etwa China als bilateraler Kreditgeber auf und stützt zudem mit der Asian Infrastructure Investment Bank auch eine formale Konkurrentin der Weltbank.

Experten fordern die Weltbank daher seit Jahren auf, den neuen Wirtschaftsmächten angemessenen Einfluss zu gewähren und selbst wendiger zu werden. Teil eins liefert der in Südkorea geborene Amerikaner Kim nicht. Er hat zwar Charmeoffensiven in Indien und China hinter sich, für echten Machtwechsel steht er aber nicht. An Teil zwei, den flexibleren Regeln, hat Kim lang gefeilt. Erstmals seit den 1980er-Jahren hat die Weltbank die Auflagen, nach denen sie Kredite vergibt, runderneuert. Auf dem Papier sind nun Arbeitsbedingungen, Diskriminierung und Klimaschutz ein Thema. In Realität lasse die Weltbank den einzelnen Ländern aber viel Spielraum, die Vorschriften zu unterwandern, monieren Kritiker.

Die Regeln sollen ab 2018 gelten. Der neue Weltbank-Chef wird dann ein halbes Jahr im Amt sein. Ob er wieder Jim Yong Kim heißen wird, hängt auch vom Ausgang der US-Wahl ab. Gewinnt seine frühere Unterstützerin Hillary Clinton, stehen Kims Chancen gar nicht schlecht. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2016)

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