Märkte: Sogar Lord Rothschild ist ratlos

Lord Jacob Rothschild: „Wir befinden uns in unbekannten Gewässern.“
Lord Jacob Rothschild: „Wir befinden uns in unbekannten Gewässern.“(c) imago/i Images (imago stock&people)
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Die Geldflut der Zentralbanken hebt die Kurse auf immer neue Höhen. Jacob Rothschild mahnt aber zur Vorsicht: „Wir erleben das größte Experiment in der Geschichte der Geldpolitik.“

Wien/London/NewYork. 666-mal haben die Zentralbanken dieser Welt seit dem Lehman-Schock vor acht Jahren die Zinsen gesenkt. Das hat Michael Hartnett, der Investmentchef der Bank of America, nach der jüngsten Zinssenkung durch die englische Notenbank ausgerechnet. Damit nicht genug. Weil mit der Zinssenkung auf den Nullpunkt das Spektrum der konventionellen Geldpolitik ausgereizt ist, greifen die Notenbanken zu immer extremeren Methoden, um Liquidität in den Markt zu spülen: Quantitative Easing hier, Negativzinsen da.

Das ist der Grund, warum die Rekordstände an den Börsen einen schalen Beigeschmack haben. Niemand weiß genau, ob die Kurse noch von der Realität getrieben werden oder nur noch durch die Geldflut der Zentralbanken gehoben werden. Selbst die klingendsten Namen der Finanzwelt sind ratlos. Sogar Lord Jacob Rothschild, einer der prominentesten Vertreter der legendären Bankiersfamilie und Bruder von Evelyn de Rothschild, ebenfalls ein Investor.

Notenbanken pumpen weiter

Im Halbjahresbericht seines Rothschild Investment Trust (RIT), der rund drei Milliarden Dollar verwaltet, schreibt Jacob Rothschild: „Wir haben in den vergangenen sechs Monaten die Fortsetzung dessen gesehen, was sicherlich das größte Experiment in der Geschichte der Geldpolitik ist. Wir befinden uns in unbekannten Gewässern. Es ist unmöglich vorauszusehen, welche unbeabsichtigten Folgen die sehr niedrigen Zinsen haben werden.“

Rund 30 Prozent aller Staatsanleihen weltweit rentieren inzwischen negativ, weil die Notenbanken sie aufkaufen und die Zinsen niedrig halten. Zwar hat die Federal Reserve im Dezember einen ersten Schritt in Richtung höherer Zinsen gemacht, aber den zweiten seither immer verschoben. Derzeit wird der September angesteuert, wie mehrere Fed-Notenbanker zuletzt angedeutet haben. Aber die meisten Beobachter bezweifeln, dass die Fed vor der US–Wahl wirklich noch einmal an der Zinsschraube drehen wird. Und selbst wenn: Das globale Geldexperiment wird dennoch fortgeführt.

Zwar kauft die Fed selbst derzeit keine neuen Anleihen mehr, aber die Europäische Zentralbank, die Bank of Japan und zuletzt auch die Bank of England halten ihre Geldschleusen weit offen. Gemeinsam pumpen sie rund 180 Mrd. Dollar pro Monat in die Märkte. Wer als privater Investor sein Geld in Staatsanleihen mit negativer Rendite (etwa schweizerische, deutsche oder österreichische Bonds) belässt, nimmt einen Verlust in Kauf, weil ebendiese Anleihen als besonders sicher gelten.

Ein eigenartiges Verhalten – versprechen die durch die Geldschwemme gehobenen Aktienmärkte doch weiterhin gute Gewinne. „Praktisch alle Anlageklassen wurden durch die Geldflut gehoben“, schreibt Rothschild: „Aber das Wachstum bleibt blutleer und es gibt geringe Nachfrage und Deflation in vielen Teilen der entwickelten Welt.“

Gold statt Dollar

Dazu kämen geopolitische Unsicherheitsfaktoren, wie die „undurchsichtige Situation“ in China, die Terroranschläge in Frankreich und Deutschland – und zuletzt das Brexit-Votum. Rothschilds Reaktion: Sein Fonds hat die Pfund-Investments inzwischen deutlich zurückgefahren, ebenso den Anteil britischer Aktien.

Stattdessen setzt Rothschild verstärkt auf Schwedische Kronen sowie auf Gold. Der Anteil an „echten Assets“, wie der RIT in seinem Bericht Gold, Silber und Immobilien nennt, ist verglichen mit Aktien zwar eher gering. Dennoch: „Unsere signifikante Dollar-Position wurde etwas reduziert, da wir nach dem Anstieg des Dollars neue Gelegenheiten in anderen Währungen und bei Gold gesehen haben“, schreibt Rothschild. Das Goldinvestment reflektiere „unsere Sorgen über die Geldpolitik“. In Euro-Assets ist RIT überhaupt nicht investiert. Trotz der aktuellen Ratlosigkeit scheint der Rothschild-Fonds die richtige Strategie zu verfolgen: Seit 1988 ist er um sagenhafte 2000 Prozent gestiegen.

Der 80-jährige Rothschild ist nicht allein mit seiner Sorge über die Folgen der Geldpolitik. Noch ist vollkommen unklar, ob und wann die Zentralbanken eine Wende einleiten und die Märkte wieder sich selbst überlassen können.

So warnt der als „Bondkönig“ bekannte Fondsmanager Bill Gross von Janus Capital seit einiger Zeit vor einer Krise. „Die globalen Renditen sind die niedrigsten seit 500 Jahren. Zehn Billionen Dollar stecken in Anleihen mit negativen Renditen. Das ist eine Supernova, die eines Tages explodieren wird“, so Gross.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2016)

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