Greift die EZB als Nächstes zu Aktien?

Lichtspektakel 'Luminale 2016'
Lichtspektakel 'Luminale 2016'APA/dpa/Boris Roessler
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Die Teuerung regt sich wieder – sie ist im Juli auf 0,2 Prozent gestiegen. Trotzdem fordern Ökonomen bereits die nächste Eskalation der Geldpolitik: Die EZB soll Aktien kaufen.

Wien/Frankfurt. Eine Sensation ist es nicht, aber durchaus eine Verbesserung. Die jährliche Inflationsrate in der Eurozone ist im Juli auf 0,2 Prozent gestiegen – nachdem sie im Monat zuvor bei nur 0,1 Prozent gelegen ist. Österreich verbucht (nach EU-Berechnung) eine Teuerung von 0,6 Prozent. Die Zahlen für die gesamte EU decken sich mit jenen der Eurozone: 0,2 Prozent nach 0,1 Prozent im Vormonat. In Bulgarien, Kroatien und der Slowakei sanken die Preise sogar: minus 1,1 bzw. minus 0,9 Prozent. Die höchste Teuerung verzeichnet Belgien: plus zwei Prozent.

Damit ist zumindest in jenem Land, das die EU-Hauptstadt beherbergt, das offizielle Inflationsziel der Europäischen Zentralbank EZB von „knapp unter aber nahe bei zwei Prozent erreicht“ – die gesamte Eurozone ist davon aber weiterhin weit entfernt. Immerhin: Die Deflationsgefahr scheint gebannt. Das ist auch gut so, denn die EZB hat einiges in die Waagschale geworfen, um dieses Ziel zu erreichen.

Ein Scheitern hätte der Zentralbank massive Glaubwürdigkeitsprobleme gebracht. Noch ist die Arbeit aber nicht getan – weshalb in Deutschland bereits über die nächsten Schritte debattiert wird. So fordern einige Ökonomen bereits, dass die EZB auch noch Aktien mit frisch gedrucktem Geld kauft. Das berichtet die „Welt“. Karsten Junius, Chefökonom der Schweizer Bank J. Safra Sarasin, hat einen dementsprechenden Gastkommentar auf dem Portal cash-online.de veröffentlicht.

Ein „Tabubruch“

„Da der Kreditkanal in einigen Ländern des Währungsgebiets aus unterschiedlichen Gründen noch immer nicht störungsfrei funktioniert, würden Aktienkäufe der EZB dem Unternehmenssektor Eigenkapital zuführen, das er teilweise sonst nicht in der Lage wäre zu erhalten. Dies ist aktuell vor allem im Bankensektor der Fall“, schreibt Junius. Die „Welt“ nennt den Vorschlag einen „Tabubruch“. Aber solche kommen von den Zentralbanken seit der Finanzkrise schon serienweise. So kauft die EZB bereits heute Staatsanleihen, Kreditverbriefungen und Pfandbriefe auf dem Markt auf. Seit einem Monat sind auch Unternehmensanleihen dazugekommen. Da ist der Schritt zu den Aktien tatsächlich nicht mehr völlig auszuschließen.

Auch EZB-Chef Mario Draghi tut sich schwer damit, irgendeine Form der monetären Lockerung völlig von der Hand zu weisen. So hat er selbst die Idee des Helikoptergeldes als interessant bezeichnet. Hier ist er allerdings insofern auf der sicheren Seite, als niemand genau weiß, was „Helikoptergeld“ eigentlich beinhalten soll. Die vom ehemaligen Fed-Chef Ben Bernanke in Japan vorgebrachte Version des „Helikoptergeldes“ kann Draghi jedenfalls nicht gemeint haben. Sie basiert nämlich auf dem direkten Kauf unendlich laufender Staatsanleihen durch die Zentralbank. Diese Form der Staatsfinanzierung ist der EZB verboten. Der Kauf von Aktien, wie ihn beispielsweise die Schweizer Nationalbank und die Bank of Japan (indirekt) bereits betreiben, ist der EZB theoretisch aber erlaubt.

Es ist dennoch davon auszugehen, dass die EZB sich den Wünschen der Banken (noch) nicht beugen wird, und auch noch Geld in Aktien steckt. Auch ohne zusätzliche Programme haben die Zentralbanken bereits eine historisch einzigartige Geldflut losgelassen, um die Märkte zu heben und Inflation zu erzeugen. Gemeinsam haben sie Papiere im Wert von zwölf Billionen Dollar in ihre Bilanzen aufgenommen. Die Papiere haben sie mit frisch gedrucktem Geld bezahlt. Dieses Geld ist ohnehin schon in die Aktienmärkte geflossen, weil sichere Staatsanleihen praktisch keine Rendite versprechen. Eine weitere Eskalation der Geldpolitik ist also nicht nötig. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2016)

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