VW gegen Prevent: Streit mit Folgen

(c) REUTERS (FABIAN BIMMER)
  • Drucken

Volkswagen einigt sich mit der Prevent-Gruppe auf einen Kompromiss. Die Kurzarbeit ist damit abgewendet. Aber die Machtverhältnisse in der Branche haben sich geändert.

Berlin/Wolfsburg. Am Dienstagmorgen, nach einem rund 20-stündigen Verhandlungsmarathon, hatten Volkswagen und die Prevent-Gruppe dann doch das Kriegsbeil begraben. Der seit Tagen andauernde Streit um stornierte Aufträge, unerfüllte Schadensersatzwünsche und zurückgehaltene Getriebeteile wurde für beendet erklärt. Der Lieferstopp werde ab sofort aufgehoben, sagte ein Prevent-Sprecher.

Im Stammwerk Wolfsburg, wo der Golf produziert wird, und an weiteren fünf VW-Standorten, die in den vergangenen Tagen weitgehend lahmgelegt waren, kann schrittweise wieder Produktionsalltag einkehren. Anders gesagt: Die drohende Kurzarbeit für rund 28.000 Mitarbeiter ist damit vom Tisch.

Wie es dazu kam? Das bleibt bis auf Weiteres ein wohl behütetes Geheimnis. Über die (finanziellen) Details des Paktes hatten die ehemaligen Streitparteien Stillschweigen vereinbart. Aus dem Umfeld von Prevent, zu dem die sächsischen Zulieferer ES Automobilguss (Getriebeteile) und Car Trim (Sitzbezüge) gehören, war zu hören, dass man sich auf eine langfristige Partnerschaft verständigt habe. Trotz allem. Volkswagen äußerte sich nicht. Für viele Experten war das ein Hinweis darauf, dass Prevent seine Forderungen zumindest teilweise durchsetzen konnte. Die vergangene Woche habe gezeigt, dass sich die Machtverhältnisse in der Branche verändern, sagte der Autoindustrie-Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg gegenüber Reuters. Die vermeintlichen Zwerge könnten „die Gullivers der Autobranche“ in Nöte bringen.

Anlass für den Konflikt war – laut Prevent – ein Auftrag an Car Trim zur Entwicklung neuartiger Sitzbezüge, den VW „frist- und grundlos“ gekündigt habe. Für bereits erbrachte Leistungen wollte man 56 Millionen Euro Schadensersatz. Als VW das ablehnte, stellte Car Trim sämtliche Lieferungen ein. Um den Druck zu erhöhen, setzte daraufhin auch ES Automobilguss den Nachschub an VW aus. Und die fehlenden Getriebegehäuse wurden für VW dann zum ernsthaften (Produktions-)Problem.
Niedersachsens Ministerpräsident, Stephan Weil (SPD), schickte am Dienstag eine Warnung aus, wonach die Methoden der Lieferanten nicht Schule machen dürften. „Es bleibt bei mir ein Unbehagen über das Vorgehen der Prevent-Gruppe.“ Weil sitzt allerdings im Aufsichtsrat von VW, da das Land mit 20 Prozent zweitgrößter Aktionär ist. Die Börse feierte inzwischen die Einigung: Mit einem Kursaufschlag von 2,5 Prozent war die VW-Aktie zeitweise der größte Gewinner im DAX.

Debatte über Kurzarbeit

Erleichtert war auch die gesamte Zulieferbranche. Denn der Stillstand bei VW hatte Folgewirkungen auf weitere 500 Lieferanten gehabt. Manche wie der Reifenhändler Continental und der Kabelspezialist Leoni wollen sich nun für den Wiederholungsfall rüsten. Leoni etwa rechnet mit Umsatzeinbußen von bis zu 500.000 Euro durch die Probleme bei VW. Man geht aber davon aus, dass die Produktionsausfälle nachgeholt werden.

Die vergangenen Tage in Wolfsburg haben auch zu einer politischen Debatte über Sinn und Zweck der Kurzarbeit geführt. Kurzarbeitergeld dürfe nicht „als Finanzierungsinstrument bei wirtschaftlichen Machtspielen zwischen Unternehmen missbraucht werden“, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Union, Karl Schiewerling. „Zwei streiten sich, und die Folgen tragen Dritte – das geht nicht.“ Die SPD wiederum hält es für gerechtfertigt, wenn VW-Mitarbeiter wegen des Produktionsstillstandes Kurzarbeitergeld erhalten.

AUF EINEN BLICK

Volkswagen hat den seit Tagen andauernden Streit mit zwei Lieferanten aus der Prevent-Gruppe am Dienstag beendet und damit wirtschaftlichen Schaden – Schätzungen gingen von 100 Millionen Euro pro Woche aus – abgewendet. Nach einem 20-stündigen Verhandlungsmarathon von Montag auf Dienstag willigte Prevent ein, den Lieferungsstopp an den VW-Konzern zu beenden. Über die finanziellen Details wurde Stillschweigen vereinbart.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

File photo of VW sign outside a Volkswagen dealership in London
International

VW und Zulieferer beenden Streit

VW und die Zulieferseite bestätigen die Einigung, die Firmen wollen wieder liefern. Die betroffenen VW-Standorte bereiten der Wiederaufnahme der Produktion vor.
Themenbild
International

Vorerst kein Durchbruch im VW-Zulieferstreit

Seit Montag laufen Gespräche zwischen über eine gütliche Lösung im Streit über ausgesetzte Teile-Lieferungen. Für die Zahlung von Kurzarbeitergeld könnten Millionenkosten entstehen.
Die Golf-Produktion in Wolfsburg und Zwickau steht bis auf Weiteres still.
International

Machtkampf legt VW-Produktion weitgehend lahm

Die Prevent-Gruppe liefert keine Autoteile mehr am Volkswagen. 28.000 Mitarbeiter sind betroffen.
Autostadt Volkswagen AG Deutschland Germany Wolfsburg Niedersachsen Lower Saxony 28 04 2016 In
International

Ökonomen: Produktionsausfall bei VW kann Konjunktur dämpfen

Der Streit mit zwei Zulieferern könne eine kleine Delle in der Industrieproduktion hinterlassen, sagte der Deutschland-Chefvolkswirt von UniCredit.
VW Emblem auf VW Verwaltungsgebaeude in Wolfsburg mit Roter Ampel gesehen am 09 04 2016
International

VW-Zulieferstreit


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.