Die US-Zinsen steigen, aber wann?

Notenbanken. US-Notenbankerin Janet Yellen liebäugelt mit dem Zinsschritt, nennt aber erneut kein konkretes Datum. Die EZB wird unterdessen für ihr Anleihenkaufprogramm hart kritisiert.

Washington. Bis Fed-Chefin Janet Yellen am Freitagnachmittag das Rednerpult betrat, verweilten die Börsen in Schockstarre. Wird sie endlich einen konkreten Zeitpunkt für die lang erwartete Zinserhöhung bekannt geben oder nicht? Schon nach wenigen Worten war klar: Viel Neues hat Janet Yellen auch zum großen Treffen der Notenbanker nach Jackson Hole nicht mitgebracht. „Moderate Zinsanhebungen sind in nächster Zeit angemessen“, ließ sie wissen. Die Argumente für eine Zinsanhebung seien in den vergangenen Monaten stärker geworden. Die US-Wirtschaft nähere sich bei Beschäftigung und Inflation den Zielen der Notenbank. Das war's.

Kein Wort darüber, ob und wann genau die Fed den nächsten Zinsschritt nun wagen will.

Entsprechend enttäuscht fielen die Reaktionen der Ökonomen aus. „Die Rede enthält wenig Neues“, sagte etwa Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. „Dass nach zwei sehr guten Arbeitsmarktberichten in Folge die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung steigt, stand auch vorher schon fest.“

US-Zinsschritt im Dezember?

Allgemein rechnen die Analysten nun damit, dass die Federal Reserve den Leitzins erst gegen Ende des Jahres, im Dezember, anheben wird. Die US-Währungshüter suchen momentan nach dem besten Zeitpunkt für den Zinsschritt, nachdem sie im Dezember des Vorjahres erstmals seit der Finanzkrise den Schlüsselsatz angehoben haben. Die Fed hält die Leitzinsen seither in einer Spanne zwischen 0,25 und 0,5 Prozent. Wechselhafte US-Wirtschaftsdaten und Phasen starker Marktturbulenzen ließen die Fed aber immer wieder zögern.

Vor Yellens Auftritt haben etliche US-Notenbanker bereits für eine baldige Anhebung der Zinsen plädiert. Es sei nicht das Ziel, das Wirtschaftswachstum damit abzuwürgen, sagte der Präsident des Fed-Ablegers von San Francisco, John Williams. Ähnlich äußerte sich seine Kollegin von Kansas City, Esther George. „Mein Ziel ist nicht, das Wirtschaftswachstum zu verlangsamen.“ Eine Straffung der Zinsen sollte behutsam erfolgen.

Deutsche Breitseite gegen EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist von derartigen Diskussionen noch ein Stück weit entfernt. Die Währungshüter der Eurozone halten unbeirrt an den Niedrigzinsen fest und pumpen zudem über das Anleihenkaufprogramm Geld in die Märkte.

Nach einem Bericht des deutschen Nachrichtenmagazins „Spiegel“ wird auch im deutschen Finanzministerium die Kritik am umstrittenen Programm lauter. Angesichts der anhaltenden Ankäufe der Notenbank auf den Märkten für Staatspapiere „wird das Angebot von Bundesanleihen immer knapper“, heißt es demnach in einer internen Vorlage des Ministeriums. In der Folge gerieten die Renditen der Bonds zusätzlich unter Druck. Mit der Geldflut will die EZB das Wachstum ankurbeln und die aus ihrer Sicht zu niedrige Teuerungsrate nach oben treiben. Die Wertpapierkäufe sollen dafür sorgen, dass die Renditen der Anleihen sinken, sodass es sich für Banken weniger lohnt, in diese Titel zu investieren. Stattdessen sollen sie mehr Kredite vergeben.

Mit Sorge betrachten daher die Beamten von Finanzminister Wolfgang Schäuble die Auswirkungen der Ankäufe auf die Anleihen anderer Länder. So seien die Renditen italienischer Papiere unter die Marge von US-Papieren gefallen, „sehr wahrscheinlich infolge der Aufnahme des EZB-Kaufprogramms“. Dahinter steht die Befürchtung, dass die EZB das Zinsgefüge verzerrt. Staaten mit hoher Verschuldung wie Italien zahlen gewöhnlich höhere Zinsen als etwa Deutschland. (auer/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2016)

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