Wenn Aktionäre die Revolte ausrufen

Symbolbild.
Symbolbild.(c) BilderBox
  • Drucken

Bei dem börsennotierten Pharmaunternehmen Stada bleibt kein Stein auf dem anderen. Das Bemerkenswerte: Ein Aktionär, der nur fünf Prozent der Anteile hält, zettelte die Revolution an.

Wien. Bei der Hauptversammlung des hessischen Arzneimittelherstellers Stada ging es am Freitag turbulent zu. Doch nach dem 13-stündigen Aktionärstreffen stand Folgendes fest: Die Tage des bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden, Martin Abend, sind gezählt. 56 Prozent der Aktionäre hatten den Dresdner Anwalt, der schon seit 13 Jahren im Kontrollgremium des MDAX-Unternehmens sitzt, in einer Kampfabstimmung abgewählt. Vier weitere Aufsichtsräte müssen ebenfalls das Weite suchen, sie werden durch Experten von außen ersetzt. Lediglich der Bankier und Unternehmer Carl Ferdinand Oetker darf im Aufsichtsrat verbleiben. Er übernimmt den Vorsitz.

Für all diese Veränderungen und den Sturz von Abend hat sich der kampfeslustige Investor Active Ownership Capital (AOC) stark gemacht. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem langjährigen Vorstandschef Hartmut Retzlaff hatte AOC Vetternwirtschaft und Gehaltsexzesse vorgeworfen. Retzlaff musste deshalb schon vor wenigen Wochen seinen Schreibtisch räumen.

Dass es AOC gelang, in dem alteingesessenen Pharmaunternehmen eine derartige Palastrevolte zu initiieren, ist gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert: Zum einen ist die Beteiligungsgesellschaft ein sehr junger Strada-Aktionär. Erst dieses Frühjahr stieg AOC mit einem Investment von 150 Millionen Euro bei Strada ein. Zum anderen war es den beiden Gründern des Unternehmens, dem Österreicher Florian Schuhbauer und dem Deutschen Klaus Röhrig, in erstaunlich kurzer Zeit gelungen, die Mehrheit der Aktionäre – wenigstens teilweise – von ihren Umwälzungswünschen zu überzeugen.

Dabei repräsentiert AOC laut eigenen Angaben nur fünf Prozent der Strada-Anteile. Ein Schauspiel, das es in dieser Rollenaufteilung zwar von Kleinaktionären in den USA bekannt war, es aber bei großen Publikumsgesellschaften in Deutschland bisher noch nicht gegeben hat. Den heimischen Gesellschaftsrechtler Rechtsanwalt Clemens Spitznagel überrascht der aktuelle Fall allerdings nicht sehr: „Gerade bei Publikumsgesellschaften, bei denen sich ein hoher Prozentsatz der Anteile in Streubesitz befindet – wie das beispielsweise auch bei Wienerberger der Fall ist –, können auch Aktionäre, die nur wenige Prozent besitzen, viel ausrichten.“ Begünstigend wirkt der Umstand, dass Hauptversammlungen oft nur spärlich besucht sind. So war das auch am Freitag: Gerade einmal ein Drittel der Stimmrechte war bei der Stada-Hauptversammlung vertreten.

Noch größerer Umbau geplant

Schon deshalb kann AOC als größter Einzelaktionär mit dem Ergebnis der Hauptversammlung nicht rundherum zufrieden sein. Ihre Gründer hatten nämlich einen viel radikaleren Umbau des Aufsichtsrates vor Augen gehabt. Die bisherigen Aufsichtsräte bekleideten ihre Funktion schon zu lange und seien teils auch schon zu alt für die Aufgabe, wetterten sie. Und sie schlugen in einem Atemzug auch neue Kandidaten vor. Nicht einmal den Verbleib von Abends Stellvertreter, Carl Ferdinand Oetker, wollte AOC akzeptieren, denn mit ihm sei kein Neubeginn möglich. Mit diesem Argument drangen sie bei dem Großteil der Aktionäre jedoch nicht durch: Gleich 79 Prozent sprachen sich nicht nur für Oetkers Verbleib aus, sondern bestimmten den 43-Jährigen auch zu Abends Nachfolger. Wenig Erfolg hatten die revolutionären Investoren auch damit, ihre vier Wunschkandidaten im Aufsichtsrat zu platzieren. Nur der ehemalige Novartis-Manager Eric Cornut, der nach AOC-Vorstellungen Abend beerben hätte sollen, wurde in den Aufsichtsrat gewählt. Die anderen neuen Mitglieder wurden von Stada nominiert.

Oetker hat nun die heikle Aufgabe, das Vertrauen der Aktionäre wiederzugewinnen. In seinem ersten Statement lud er daher alle zu einem „konstruktiven Dialog“ ein. Man wolle nun auf dem Weg der Erneuerung konsequent voranschreiten, sagte er. Schon der erste Schritt ist prekär: Gleich zwei neue Vorstände hat der Aufsichtsrat rasch für den Konzern zu finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.