Überlebenskonzept Fusion?

German Chancellor Angela Merkel And Finance Minister Wolfgang Schaeuble Speak At Business Conference
German Chancellor Angela Merkel And Finance Minister Wolfgang Schaeuble Speak At Business Conference(c) Bloomberg (Krisztian Bocsi)
  • Drucken

Der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, fordert ein „Ende der Kleinstaaterei“ im deutschen Finanzwesen.

Frankfurt. Zu viele Anbieter, extremer Preisdruck, ruinöser Wettbewerb: Nicht nur in der europäischen Luftfahrt und im Mobilfunk frisst diese Marktlage die Margen. Deutschland hat – wie Österreich – auch im Finanzwesen ein Überangebot. Der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, hat sich nun erstmals offen für Fusionen unter Europas Banken ausgesprochen. „Wir brauchen weitere Zusammenschlüsse – auf nationaler Ebene, aber auch über die Landesgrenzen hinweg“, sagte er am Mittwoch bei der Tagung „Banken im Umbruch“. Die Kleinstaaterei in Europa müsse ein Ende haben.

Ein Zusammenschluss der mitten in der Sanierung steckenden Deutschen Bank mit der Commerzbank (das „Manager Magazin“ berichtete) ist für Cryan aber keine Option: Er will die Deutsche Bank eigentlich kleiner und einfacher machen. Auch der neue Commerzbank-Chef Martin Zielke betonte, solche Spekulationen seien müßig. Zielke meint ebenfalls: „Wir haben zu viele Banken in Deutschland.“ Dies spreche für eine größere Konsolidierung in der Branche, sagte ein Händler an der Börse. Die Banken seien verzweifelt, fügte ein anderer hinzu. „Die Minuszinsen machen uns platt.“

An der Börse sorgte allein die Fantasie für Auftrieb bei den zuletzt gebeutelten Finanztiteln: Die Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank verteuerten sich um drei bis vier Prozent.

Kleine müssen Anfang machen

Für Cryan sind nicht unbedingt die Großbanken das Problem. Die Kleineren müssten bei der nötigen Marktbereinigung den Anfang machen, sagt er. Anders als in Spanien, Frankreich oder Nordeuropa sei es nie zu einer Fusionswelle gekommen. Michael Kemmer, der Cheflobbyist der Privatbanken, sieht die gesamte Finanzbranche wegen der Niedrigzinsen, der Regulierungskosten, der fortschreitenden Digitalisierung und der demografischen Entwicklung in einer schwierigen Lage. „Das ist ein Cocktail, der in den kommenden Jahren immer mehr Druck auf die Ertragslage der Banken ausüben wird“, sagte Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken.

Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon sieht das anders: Zusammenschlüsse seien kein Patentrezept, um die Probleme der Bankenbranche zu lösen. „Ich halte neuerliche Forderungen nach einer grundlegenden Konsolidierungswelle unter Kreditinstituten für nicht sachgerecht“, sagte er bei derselben Konferenz. In der Finanzkrise habe sich gezeigt, dass zu große Kreditinstitute, die sich von ihren Kunden entfernten, erst recht „Gift für die Stabilität von Finanzmärkten“ seien.

Die Zahl der Sparkassen ist in Deutschland im vergangenen Jahr um acht auf 409 Institute gesunken. Auch im laufenden Jahr rechnet Fahrenschon mit einigen Zusammenschlüssen, aber nicht mit drastischen Schritten. Bei den vier großen Landesbanken – LBBW, BayernLB, NordLB und Helaba –, an denen die Sparkassen beteiligt sind, sieht Fahrenschon keinen Fusionsbedarf. (Reuters)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Viele Banken in Europa sind strukturell nicht zu Gewinnen fähig.
Ivy League

Ein Drittel des Bankensektors ist unfähig zu nachhaltigen Profiten

Europas Banken müssten über ihren eigenen Schatten springen um dem Kontinent einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Finanzsektor zu bescheren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.