EZB enttäuscht die Märkte

EZB im letzten Tageslicht
EZB im letzten Tageslicht(c) APA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Das Anleihekaufprogramm wird – vorerst – nicht noch weiter ausgedehnt. Die Aussichten für die Konjunktur haben sich seit dem Brexit-Votum leicht verschlechtert.

Wien. Von einer Trendwende bei der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank konnte am gestrigen Donnerstag keine Rede sein. Diese bleibt locker. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent. Der Einlagenzinssatz bleibt negativ: Wenn Banken überschüssiges Geld bei der EZB parken, müssen sie dafür weiter 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen.

Zudem bekräftigte die Notenbank, dass die milliardenschweren Anleihenkäufe bis mindestens März 2017 aufrechterhalten werden. Monat für Monat will die EZB 80 Mrd. Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere stecken, insgesamt 1,74 Billionen Euro. Gut, eine Billion ist bereits investiert. Seit Juni stehen auch Unternehmensanleihen auf dem Einkaufszettel. Das billige Geld soll die Konjunktur ankurbeln und die niedrige Inflation wieder in Richtung der EZB-Zielmarke von knapp unter zwei Prozent befördern.

Euro schnellt hoch

Die Märkte hatten jedoch eine Ausweitung der Geldinfusionen erwartet und reagierten entsprechend. Der Euro schnellte zum Dollar in die Höhe, die Aktienindizes rutschten mehrheitlich ab. Für Enttäuschung sorgte vor allem eine Äußerung von EZB-Chef Mario Draghi, er habe mit seinen Kollegen die Verlängerung der Wertpapierkäufe nicht einmal diskutiert. Die gesenkten Konjunktur- und Inflationsprognosen erforderten derzeit keine zusätzlichen Maßnahmen.

Im August lag die jährliche Teuerungsrate im Euroraum nur bei 0,2 Prozent. Daher hatten viele Volkswirte damit gerechnet, dass die Notenbank das Anleihenkaufprogramm um ein weiteres halbes Jahr verlängern wird. Doch erklärt sich die Mini-Inflation zum Großteil mit dem Ölpreis. Im August 2015 war der Ölpreis noch höher als im August 2016. Da er in der zweiten Jahreshälfte des Vorjahres aber gesunken und in der ersten Jahreshälfte des laufenden Jahres gestiegen ist, könnten schon bald Zeiten anbrechen, in denen der Ölpreis deutlich höher ist als im jeweiligen Vorjahresmonat – auch dann, wenn er sich in den nächsten Monaten nicht bewegt.

Die EZB-Volkswirte rechnen für heuer nur mit einer Teuerungsrate von 0,2 Prozent. Für 2017 erwarten sie einen Anstieg der Verbraucherpreise von 1,2 Prozent. Für Europas Wirtschaft sind die Währungshüter nach dem Brexit-Votum etwas pessimistischer geworden: Sie erwarten nun 2017 und 2018 einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von jeweils 1,6 Prozent, zuvor sind sie noch von 1,7 Prozent ausgegangen. „Die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone dürfte gedämpft werden von der schwachen ausländischen Nachfrage, die teilweise mit den Unsicherheiten durch das Ergebnis des Referendums in Großbritannien zusammenhängt“, sagte Draghi. Daher bleibe der Konjunkturausblick mit Risken behaftet. Er deutete an, dass die EZB „bei Bedarf weitere geldpolitische Maßnahmen ergreifen“ könne. „Falls nötig, werden wir mit allen uns im Rahmen des Mandats zur Verfügung stehenden Mitteln handeln.“

Weitere Lockerungen erwartet

Analysten erwarten, dass noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Otmar Lang von der Targobank meint: „Die EZB verschärft ihr Quantitative-Easing-Programm vorerst nicht. Das ist wahrscheinlich nur eine Atempause im geldpolitischen Harakiri – die Türen für weitere monetäre Lockerungen bleiben sperrangelweit offen. Europas oberste Notenbank steht eigentlich vor der geldpolitischen Kapitulation. Doch das kann sie sich nicht leisten. Auch wenn ihre Medizin nicht wirkt, muss sie die Dosis erhöhen, um nicht völlig an Glaubwürdigkeit zu verlieren.“ (b. l./ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2016)

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