Leichte Kündigung als Standortvorteil

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Mehrere Städte gieren nach Londons Bankern. In Frankfurt will man sogar den Kündigungsschutz senken.

Wohl kaum eine Berufsgruppe in Großbritannien wurde von dem Ende Juni erfolgten Brexit-Votum so schwer erschüttert wie die in London beheimateten Banker. 360.000 Mitarbeiter der unzähligen dort vertretenen Institute machen London bisher zum größten Finanzzentrum der Welt. Dies könnte sich durch den EU-Austritt des Vereinigten Königreiches in den nächsten Jahren aber ändern. Denn nach dem Verlassen des gemeinsamen Binnenmarktes dürfte es für die Unternehmen nicht mehr möglich sein, ihre europäischen Aktivitäten zentral aus London zu steuern.

Als Alternative müssten die Banken große Büros in einer anderen Stadt innerhalb der EU, am besten innerhalb der Eurozone, aufbauen. Eine große wirtschaftliche Chance für jene Kommunen, die dabei zum Zug kommen. Mehrere Städte haben daher in den vergangenen Wochen bereits damit begonnen, Lockangebote für die Banker und ihre Arbeitgeber auszuwerfen.

Paris etwa brachte steuerliches Entgegenkommen und die kulturelle Schönheit der Stadt ins Spiel. Amsterdam wiederum will Firmen mit optimalen digitalen Voraussetzungen anlocken. Und Dublin setzt darauf, dass die Banker auch weiterhin einfach in einem englischsprechenden Land leben wollen.

Nun schaltete sich auch Frankfurt in das Spiel ein. Und die Deutschen setzen dabei auf eine besonders kreative Strategie: Sie wollen die Banken anlocken, indem sie ihnen versprechen, dass sie Banker in Frankfurt leichter kündigen können. Ab einem Jahreseinkommen von 300.000 Euro könnte der strenge Kündigungsschutz gelockert werden, so der hessische Finanzminister, Thomas Schäfer, zur Nachrichtenagentur Bloomberg. Was auf den ersten Blick wie ein schlechter Scherz wirkt, hat jedoch einen realen Hintergrund. Aus London sind die Banken einfach gewohnt, in guten Zeiten schnell einzustellen, in schlechten aber auch wieder leicht abbauen zu können.

Österreich hat übrigens im Verhältnis zu Deutschland einen wesentlich liberaleren Kündigungsschutz. Wien wird trotzdem nicht als mögliche Alternative für London gehandelt. Kein Wunder, werden Kapitalmarkt und Finanzwirtschaft hierzulande ja gern als Teufelszeug gebrandmarkt.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2016)

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