Die Globalisierung gerät ins Stocken

Die Weltwirtschaft leidet unter einer immer schwächeren Entwicklung des Handels. Die OECD hat ihre Prognose für die USA und Großbritannien zusammengestrichen.
Die Weltwirtschaft leidet unter einer immer schwächeren Entwicklung des Handels. Die OECD hat ihre Prognose für die USA und Großbritannien zusammengestrichen.(c) Reuters
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Warnung der OECD: Der Welthandel wächst immer schwächer, und der Widerstand gegen internationale Abkommen steigt. Die lockere Geldpolitik wird zunehmend zum Risiko.

Paris/Berlin/Wien. Die Weltwirtschaft wird heuer langsamer wachsen als im Vorjahr, sagen die Ökonomen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Für heuer wird nur noch ein Wachstum von 2,9 Prozent erwartet. 2017 soll dieses auf 3,2 Prozent steigen. Das sind je 0,1 Prozentpunkte weniger als noch im Juni angenommen.

Dieses Wachstum reiche nicht mehr aus, um Jobs für junge Menschen zu schaffen, so die OECD. Auch die Pensionsversprechen an die älteren Generationen seien jetzt in Gefahr.

USA heuer deutlich schwächer

Der langfristige Durchschnitt für das Wachstum der globalen Konjunktur beträgt 3,75 Prozent. Von diesem Wert sei man derzeit weit entfernt. „Das sind keine guten Aussichten für das globale Wachstum“, sagte Catherine Mann, die Chefökonomin der Organisation. Sorge bereiten der OECD die Folgen des Brexit, eine Abkühlung in Asien sowie die extremen Auswüchse der Geldpolitik.

Besonders deutlich wurden die Erwartungen für das laufende Jahr in den USA gesenkt: von 1,8 auf 1,4 Prozent. Die Wachstumsaussichten für Großbritannien für das kommende Jahr wurden gar halbiert: von zwei auf ein Prozent. Dagegen sei in wichtigen Schwellenländern eine allmähliche Verbesserung der konjunkturellen Entwicklung zu beobachten.

Die OECD ist allerdings wenig optimistisch, was den Zustand des Welthandels betrifft. Das Wachstum des globalen Handels soll heuer und im kommenden Jahr auf Levels fallen, die wir seit der Finanzkrise nicht mehr gesehen haben. Der Handel sei nicht mehr die treibende Kraft hinter dem Wirtschaftswachstum auf der Welt. Oder anders gesagt: „Das ist ein Hinweis darauf, dass die Globalisierung ins Stocken geraten ist“, sagte Mann.

Der Weltwirtschaft drohe jetzt gar eine Wachstumsfalle, denn für die Verlangsamung des Welthandels gibt es mehrere Gründe. Schwache Nachfrage sei nur einer, so die OECD. Der wachsende Widerstand gegen neue internationale Freihandelsabkommen (etwa Ceta oder TTIP) sei ebenfalls ein Hindernis für das Wachstum auf dem Globus.

Dazu kommen wachsende Risken, die durch die Geldpolitik der Zentralbanken verursacht werden. „Extrem niedrige und in manchen Fällen sogar negative Leitzinsen verzerren die Finanzmärkte und erhöhen die Risken im Finanzsystem“, schreibt die OECD. Die Kurse für Aktien und Anleihen würden steigen, während die Aussichten für Profite und Wachstum im Sinken begriffen sind.

Deutschland bleibt relativ gut

In Kombination mit überhitzten Immobilienmärkten würde das die Gefahren einer scharfen Korrektur an den Märkten erhöhen, so die OECD. „Die Gelpolitik wird überlastet. Die Länder müssen Fiskal- und Strukturreformen durchführen, um ihre Abhängigkeit von den Zentralbanken zu reduzieren“, so Chefökonomin Mann. Die OECD blickt für nächstes Jahr auch skeptischer auf die deutsche Konjunktur und fordert mehr Reformen. Das Bruttoinlandsprodukt werde nur um 1,3 Prozent zulegen und nicht wie zuletzt erwartet um 1,5 Prozent, teilte die Industriestaaten-Gruppe am Mittwoch mit.

Allerdings: Für dieses Jahr erhöhte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Prognose von 1,7 auf 1,9 Prozent. „Die deutsche Wirtschaft läuft auf relativ hohem Niveau immer noch gut“, sagte OECD-Experte Christian Kastrop. Auf den ersten Blick sehe es etwa auf dem Arbeitsmarkt und bei den öffentlichen Finanzen positiv aus. Aber: „Es bereitet mir schon ein bisschen Sorge, dass bei Reformen auf allen Gebieten in den letzten acht bis zehn Jahren sehr, sehr wenig passiert ist.“ (ag./jil)

AUF EINEN BLICK

Korrektur. Die OECD hat ihre Wachstumsprognosen für die Welt verringert. Die Weltwirtschaft soll heuer um 2,9 und 2017 um 3,2 Prozent wachsen. Das sind je 0,1 Prozentpunkte weniger als zuvor angenommen.

Besonders deutlich, nämlich von 1,8 auf 1,4 Prozent, wurden die Erwartungen für das laufende Jahr in den USA und im kommenden Jahr für Großbritannien (von 2,0 auf 1,0 Prozent) gesenkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2016)

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