"Wäre fatal, den Euro zu riskieren"

Two Euro coins are seen in the Austrian Mint headquarters in Vienna
Two Euro coins are seen in the Austrian Mint headquarters in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Soziale Ungleichgewichte fördern den Zustrom zu Populisten, sagt Black-Rock-Manager Martin Lück.

Die Presse: Großbritannien hat sich gegen die EU entschieden. Welches Land ist das nächste?

Martin Lück: Nur in zwölf Ländern, darunter auch in Österreich, wäre das von der Verfassung her überhaupt möglich. Aber ein Referendum wäre nicht bindend, und eine Regierung wäre schlecht beraten, sich zu binden, wie das Cameron gemacht hat. Ein Dominoeffekt ist daher unwahrscheinlich.

Können die Briten noch zurück? Das Referendum ist ja sehr knapp ausgegangen.

Hätten die Brexit-Gegner so knapp gewonnen, hätten die Befürworter ein zweites Referendum verlangt. Mich wundert dennoch, dass Premierministerin Theresa May das durchzieht, weil es ein erhebliches Interesse am Exit vom Brexit gibt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass man den Volkswillen missachtet. Das wird umgesetzt.

Das bedeutet doch große Verwerfungen für Europa?

Die wahren ökonomischen Konsequenzen, was das auch für die Menschen und ihre Einkommen bedeutet, werden wir erst später sehen. Dann werden auch die Finanzmärkte stärker reagieren.

Wie lange gibt es den Euro noch?

Das war eine sehr ambitionierte Idee, in einem so heterogenen Währungsraum eine Währungsunion zu schaffen. Jetzt ist der Euro in einer Krise, die mehrere Ursachen hat: Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit und in den Leistungsbilanzen der Länder, die hohe Verschuldung einiger Haushalte und die Bankenkrise. Mechanismen, um das Defizit zu drücken, greifen nicht mehr – etwa mit starkem Wachstum hohe Primärüberschüsse zu generieren und so die Schulden zu drücken. Trotz der Probleme wird der Euro nicht zerbrechen, weil viel politisches Kapital investiert wurde und der Wille groß ist, Europa zu erhalten. Es wäre fatal, den Euro zu riskieren.

Woher soll das Wachstum kommen? Wie machen es die USA?

In Amerika fallen politische Entscheidungen viel schneller. Gleich nach der Finanzkrise wurde das Rettungsprogramm für den Finanzsektor aufgesetzt. Die Kosten waren hoch, 460 Banken sind pleitegegangen. Aber das Bankensystem war rasch repariert. In Europa hat es vier Jahre gedauert, bis sich alle Eurozonen-Länder überhaupt an einen Tisch gesetzt haben. In den USA war der Einbruch nach 2009 sogar stärker als in Europa. Amerika hat aber kreative Zerstörung betrieben, weshalb danach mehr investiert werden musste. In Europa, vor allem in Deutschland, haben wir so getan, als gäbe es keine Rezession. Es wurden daher Kapazitäten nicht angepasst. Jetzt brauchen wir keine Investitionen, weil bei dem schwachem Wachstum die Kapazitäten der Firmen reichen. Letztlich bremsen Europa auch politisch opportune Entscheidungen, wie etwa zur Schieferölindustrie.


Die Geldpolitik der Notenbanken soll doch Wachstum ankurbeln?

Der Eindruck verstärkt sich – auch bei den Zentralbanken selbst – dass sie kein Wachstum erzeugen können. Sie können bestenfalls monetäre Bedingungen schaffen, um Zeit zu gewinnen. Regierungen müssen Strukturreformen schaffen, die Wachstum ermöglichen. Die Anleihekaufprogramme und die Niedrigzinspolitik behindern Investitionen manchmal eher.

Man hört oft, die Stimmung sei in Europa schlechter als die industrielle Realität.

Nicht nur in Europa, auch in den USA gibt es eine Entwicklung, die uns zu denken geben muss: Die westlichen kapitalistischen Gesellschaften haben es in den vergangenen 30 Jahren nicht geschafft, für einen gleichmäßigen Anstieg des Wohlstands zu sorgen. Das ist ein Grund, warum die Amerikaner über das Establishment empört sind und Donald Trump wählen wollen. Auch in Europa haben wir Globalisierungsverlierer, die den Populisten zulaufen. Egal, in welcher Regierungskonstellation.

Und wenn Trump gewinnt?

Ökonomisch ist ein Präsident Trump ein absolutes Desaster. Es droht Protektionismus, das Verprellen wichtiger Partnerländer wie Mexiko, die komplette weitere Spaltung der Gesellschaft. Die Finanzmärkte werden sich nur kurzfristig über den Sieg der Republikaner freuen.

Die Zinsdiskussion prägt die Finanzmärkte seit Monaten. Wann kommt der Schritt?

Ich glaube, dass er heuer nicht mehr kommt. Die Fed schätzt die Situation anders ein, sie ist viel sensibler geworden, muss jeden Schritt viel sorgfältiger abwägen. Sie nimmt stärker Bezug auf Entwicklungen außerhalb den USA, etwa in den Schwellenländern.

Vor allem in China?

China prägt als riesiger Rohstoff-Importeur das Geschehen: Geht es China gut, läuft es auch in anderen Schwellenländern gut. Man muss aber bedenken, mit welchen hohen sozialen und Umweltkosten in China das Sozialprodukt generiert wird. Chinesische Eliten schicken ihre Kinder nicht nur wegen der besseren Schulen ins Ausland, sondern auch wegen der besseren Luft. China ist ein gelehriger Musterschüler, aber längst nicht graduiert im Feld der Finanzmärkte. Es wird ja mit Aktien gezockt wie im Casino. Ein Absturz der Börsen ist daher jederzeit wieder möglich.

Welche Anlagestrategie sollen Privatanleger einschlagen? Großen wie Black-Rock folgen?

Jetzt sind die drei Faktoren Ertrag, Risiko, Zeit besonders wichtig. Inzwischen haben alle begriffen, dass man ein höheres Risiko nehmen muss, will man mehr Ertrag. Aber auch der Anlagehorizont ist wichtig. Bei einer Altersvorsorge sind konservative Produkte wie Immobilienportfolios sinnvoll. Da gibt es sichere drei bis vier Prozent.

Warum liegt dann immer noch so viel Geld auf Sparkonten?

Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach: Das ist irrational, aber in der New-Economy-Blase haben viele Menschen erstmals in Aktien investiert und sich die Finger verbrannt. Dazu kommt das Gefühl, die Welt ist unsicherer geworden. Das destabilisiert die Aktienmärkte. Manche investieren ja und sind bereit, für längerfristig höhere Renditen Aufschläge zu zahlen. US-Aktien sind teuer, gelten aber auch als sicher.

Sehen Sie die Gefahr, dass es wieder zu einem Crash wie nach Lehman kommt?

Ein Problem dieser Dimension sehe ich nicht. Allerdings ist die Finanzstabilität noch nicht gewährleistet, wie das italienische Bankensystem zeigt. Ereignisse, die die Märkte erschüttern, werden eher geopolitische Ursachen haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

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