Was Banken (nicht) gegen Geldwäsche tun

The logo of Raiffeisen Bank International is pictured in Vienna
The logo of Raiffeisen Bank International is pictured in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Bei den Panama-Papers stand auch Raiffeisen im Visier. Nun gewähren die Compliance-Experten der Bank exklusiv Einblick in ihre Arbeit. Und erklären, warum Briefkästen in Steueroasen legitime Gründe haben können.

Wien. Die Palmen sind grün, die Anzüge grau. Vom anrüchigen Reiz der karibischen Steueroasen bleiben in den Büros der Raiffeisen Zentralbank (RZB) nur die Namen auf den Bildschirmen und Flipcharts: Bahamas, Caymans, Virgin Islands. Und natürlich Panama. Zur Erinnerung: Raiffeisen International (RBI), die Osteuropatochter, stand im April im Fokus der Enthüllungen von Panama-Papers. Vor allem mit einer nach Geldwäsche riechenden Konstruktion, die sie für die Schokoladenfirma des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko aufgesetzt hatte. Von Journalisten bestürmt, hüllte sich die Pressestelle in Schweigen: keine Stellungnahmen zu Kunden, das Bankgeheimnis hat Vorrang. Nun aber hat das diskrete Institut der „Presse“ die Tore geöffnet und seine Compliance-Mitarbeiter sprechen lassen.

Sie erstellen die Kontrollsysteme für neue und alte Kunden – und deren verdächtige Wünsche, mit viel Geld Verstecken zu spielen. Konkret für die Osteuropageschäfte, als oberster Prüfer auch für den Konzern. Es zeigt sich: Auf die leichte Schulter kann die Bank die Aufgabe nicht mehr nehmen. Ganze 45 Mitarbeiter sollen unter der Ägide von Christoph Lehner dafür sorgen, dass sich alle im Haus an die Regeln der EU-Geldwäscherichtlinie und der Finanzmarktaufsicht halten. Drei Mal mehr Planstellen als vor zwei Jahren. Viel kam hinzu, wie die Sanktionen gegen Russland und der Kampf gegen Terrorismusfinanzierung. Mit den Enthüllungen habe die Aufstockung nichts zu tun, beteuert Lehner: „Unser Offshore-Regelwerk haben wir schon im Vorjahr neu aufgestellt, nach Panama haben wir daran nichts geändert.“

Bis zu sechs Monate Prüfung

Bei neuen Kunden muss sich die Bank fragen: Mit wem haben wir es zu tun, woher hat er das Geld? Bei einer natürlichen Person zeigt ein Blick in die Datenbank „World Check“, ob sie ein berüchtigter Strohmann ist. Oder ein PEP. Wenn eine solche „politisch exponierte Person“ hohe Beträge in eine Steueroase schleusen will, liegt der Verdacht der Korruption sehr nahe. Weniger, wenn sie ihr Vermögen schon vor der Politikkarriere erworben hat, als Unternehmer, der seit damals treuer Kunde der Bank ist. Wie bei einem gewissen ukrainischen Oligarchen, der auch in Schokolade macht? Jede Ähnlichkeit mit realen Kunden ist zufällig!

(c) Die Presse

Bei einer juristischen Person gilt es, den letzten wirtschaftlichen Eigentümer zu erkennen, oft hinter langen Ketten, Kreisen und Schleifen aus Fonds, Trusts und Holdings. Angaben des Kunden reichen dafür nicht aus. Er muss Dokumente liefern, und diese sind auf Echtheit zu prüfen. Vor allem bei „Hochrisiko“ – was automatisch der Fall ist, wenn eine der 26 Steueroasen von der schwarzen Liste der FMA im Spiel ist. Zwischen zwei Wochen und sechs Monaten dauert eine solche Prüfung. Der Kunde muss ein plausibles Motiv liefern. Dazu zählt auch eine komplexe „Steueroptimierung“, wenn eine Steuerberatungsfirma sie für rechtlich korrekt erklärt. „Das muss aber schon eine der Großen sein, keine Zwei-Mann-Kanzlei in Nowosibirsk“, ergänzt Lehner.

Der Computer als Detektiv

Freilich: Den Bankern genügt, dass die Geschichte „plausibel“ ist: „Wir sind weder Behörde noch Polizei.“ Bleiben Fragen offen, nimmt man den Kunden eben nicht an oder bricht die Geschäftsbeziehung ab. Nur bei begründetem Verdacht auf Geldwäsche oder Betrug ist der Fall zu melden. 1800 solche Fälle landeten im Vorjahr beim Bundeskriminalamt, von allen heimischen Banken. Die RBI meldet jährlich rund 60 Mal. Allerdings kommt das Gros ihrer Fälle aus dem „Transaktionsmonitoring“: dem automatisierten Check des Zahlungsverkehrs, auch für andere Banken. Der Computer erkennt dabei verdächtige Muster – etwa, wenn ein hoher Betrag in viele kleine Überweisungen gestückelt wird, die kurz hintereinander erfolgen.

Bleibt die große Frage: Warum um alles in der Welt sollte ein unbescholtener Bürger oder ein seriöses Unternehmen eine Briefkastenfirma in einer Steueroase gründen? Geht es dabei nicht immer um Steuerflucht, Gelder aus dunklen Quellen oder beides? Die Compliance-Truppe kennt aus ihrer Praxis durchaus viele „harmlose“ Fälle, in rechtlicher wie auch moralischer Sicht. Ein Beispiel: Ein kleines, Know-how-starkes Unternehmen fürchtet sich davor, von einem großen geschluckt zu werden. Der wahre Besitzer will sich nicht im Firmenbuch zeigen, damit er nicht persönlich unter Druck gesetzt wird. Also wählt er eine Konstruktion, die seine Identität verschleiert. Ein ähnliches Motiv kam der RBI bei einem südamerikanischen Kunden unter: Er hatte Angst davor, dass seine Kinder entführt werden, und hielt durch ein kompliziertes Trust-Gebilde geheim, dass auch sie Nutznießer seiner Unternehmensgewinne sind. In den „sauberen“ Osteuropa-Fällen geht es aber meist darum, dass ein Kunde sein (versteuertes) Vermögen nicht zuhause lassen will. Etwa, weil der heimischen Währung hohe Inflation oder Abwertung droht. In der Folge wird oft der Devisenzahlungsverkehr eingeschränkt. Ist die politische Lage instabil oder der Rechtsstaat beschädigt, müssen Unternehmer mit Enteignung rechnen. Konzerne machen oft Cash Pooling: Eine Einheit, die überall angesiedelt sein kann, bündelt die Liquidität, holt sich das Geld von Töchtern, die zu viel haben und verleiht es an andere, die mehr brauchen.

In all diesen Fällen gibt es legitime Gründe, mit Geld ins Ausland zu gehen. Dann ist es nur logisch, dafür ein Land mit wenig Bürokratie und niedrigen Steuern zu wählen. „Ein Vorstand ist sogar verpflichtet, hier zur kostengünstigsten Variante zu greifen“, sagt Lehner. Am besten – wie bei den British Virgin Islands – mit Anschluss an ein Rechtssystem, das Anwälten weltweit vertraut ist.

Neues Licht auf Causa Poroschenko

So erscheint auch das Fallbeispiel Poroschenko in anderem Licht. Dabei ging es um ein „Back to Back“-Geschäft (siehe auch die abstrakte Grafik): Die Süßwarenfirma Roshen erhielt 2010 von der RBI einen Kredit in Höhe von 115 Mio. Dollar. Als Sicherung diente ein Pfandvertrag mit der Firma Linquist Services auf den Virgin Islands. Beide Firmen – die operative, mittellose in der Ukraine und der üppig dotierte Briefkasten in der Steueroase – hatten denselben wirtschaftlichen Eigentümer: den Politiker und Schokoladenkönig. Natürlich werden „Back to back“-Finanzierungen oft von Geldwäschern genutzt (erfunden hat sie in den Dreißigerjahren ein US-Mafioso). Aber wenn Poroschenko legitime Gründe hatte, sein Geld ins Ausland zu bringen, ist in diesem Fall wenig dagegen einzuwenden. Ob diese freundliche Deutung zutrifft und Raiffeisen nichts melden musste, prüft noch die FMA. Im Oktober soll ein Ergebnis vorliegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

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