Migranten nützen der US-Wirtschaft

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Workers (c) REUTERS (THOMAS MUKOYA)
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Wie wirkt Zuwanderung ökonomisch? Die größte US-Studie seit 20 Jahren sagt: Sie fördert Wachstum, schadet Einheimischen kaum auf dem Arbeitsmarkt – aber belastet die Budgets.

Wien.Das Thema wird heiß diskutiert im US-Wahlkampf: Donald Trump will eine Mauer gegen Migranten an der Grenze zu Mexiko bauen. Der Republikaner setzt auf die Ängste von Einheimischen, die ihren Job gefährdet sehen. Die Demokratin Hillary Clinton will bereits Zugewanderten die Einbürgerung erleichtern. Was aber halten US-Ökonomen von Migration? Ein Gremium von 20 führenden Forschern hat für die Akademie der Wissenschaften die größte US-Studie zum Thema seit 20 Jahren erstellt – ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand, ergänzt um bisher nicht zugängliche Daten.

In der Theorie steht fest: Für das Wachstum der Volkswirtschaft als Ganzes wirkt Migration positiv – mehr Menschen, mehr Volumen. Erst recht geht es den Zuwanderern besser als in ihrer alten Heimat. Nicht so klar ist es für die Einheimischen: Sie können profitieren oder verlieren. Je nachdem, ob die zusätzlich angebotene Arbeit die ihre gut ergänzt oder ihr Konkurrenz macht, steigt oder sinkt ihr Einkommen. Was wirklich passiert, kann nur die Empirie zeigen. Ökonomen haben es da nicht leicht: Die Entwicklung einer 18-Billionen-Dollar-Volkswirtschaft hängt von sehr vielen anderen, weit wichtigeren Faktoren ab, die sie allesamt herausrechnen müssen.

Dennoch ist das Fazit ziemlich klar: Auch die Einheimischen kommen durch Einwanderung im Schnitt besser weg. In einzelnen Niedriglohnsektoren kann es negative Effekte geben. Doch auch sie dauern nicht lang an: Schon nach zehn Jahren beeinflussen Einwanderer die Löhne und die Beschäftigung der Einheimischen kaum noch. Am ehesten leiden noch früher zugezogene Migranten mit ähnlich geringer Qualifikation unter neuer Konkurrenz. Klar positiv ist das Bild für hoch qualifizierte Neuankömmlinge. Sie sorgen sogar für höhere Löhne und mehr Jobs unter den Einheimischen – weil sie komplementäre Fähigkeiten anbieten und durch Innovation die allgemeine Produktivität steigern. Zudem heißt es in der Studie: Amerika profitiere als Einwanderungsland auch deshalb, weil es einer massiven Alterung und Schrumpfung wie in Japan entgeht.

Teure erste Generation

Viel durchwachsener sind die US-Ergebnisse, wenn man die öffentlichen Haushalte betrachtet. Sie werden durch Migration belastet: Der Anteil der ersten Generation am gesamtstaatlichen Defizit ist deutlich höher als ihr Bevölkerungsanteil. Die im Ausland Geborenen verdienen weniger als der Schnitt, zahlen deshalb weniger Steuern ein und haben aufgrund ihres typischen Alters relativ viele Kinder, deren Ausbildung ins Geld geht. Freilich gehen die Autoren von sehr vorsichtigen Annahmen aus: Sie verteilen Fixkosten des Staates, die sich bei einer steigenden Bevölkerungszahl nicht automatisch erhöhen, auch auf die frisch Zugezogenen. In den USA geht es dabei vor allem um die immens hohen Verteidigungsausgaben. Rechnet man dem Zuwanderer nur die Kosten zu, die er unmittelbar zusätzlich verursacht, sieht das Ergebnis für seine Gruppe sehr viel freundlicher aus.

Und die zweite Generation? Hier hängt alles vom untersuchten Zeitraum ab. Für die gesamte untersuchte Periode (1994–2013) schneiden die schon im Land Geborenen kaum besser ab als ihre Eltern. Das hängt aber laut Autoren „ausschließlich von der Altersverteilung“ in dieser Phase ab, die sich gegen Ende deutlich zugunsten dieser Gruppe veränderte (mehr von ihnen arbeiten, mehr von den Einheimischen fielen dem Staat als Pensionisten zur Last). 2013 lag der Anteil der zweiten Generation am Defizit nur mehr knapp über ihrem Bevölkerungsanteil.

Am besten kommt sie weg, wenn man jeweils Menschen gleichen Alters vergleicht. Dann zeigt sich: Die schon im Land geborenen Migranten verdienen im Schnitt mehr und zahlen mehr Steuern als jede andere Gruppe der Erwerbsbevölkerung. Womit sich auch in fiskalischer Hinsicht die Bilanz der Migration ins Positive dreht – nur dauert es dafür wesentlich länger als beim Wirtschaftswachstum und beim Arbeitsmarkt.

Amerika hat es leichter

Inwieweit sind diese Ergebnisse auf Europa und Österreich übertragbar? Mit einem Anteil von 13 Prozent im Ausland Geborenen liegen die USA zwar im Schnitt der Industrienationen. Aber Amerika hat es leichter: Es gibt kaum Kriegsflüchtlinge, die meisten wandern aus wirtschaftlichen Gründen ein.

Auch viele Hochqualifizierte: Rund 250.000 haben im vorigen Jahrzehnt pro Jahr über H1-B-Visa Fuß gefasst. Sie lassen sich auch von niedrigen Steuern für Gutverdiener locken. Für alle gilt: Englisch ist viel schneller und leichter zu erlernen als etwa Deutsch, was die Integration wesentlich erleichtert. Insgesamt ist das Bildungsniveau der US-Migranten in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen. Das spiegelt sich auch in der Einstellung der Amerikaner wider: Vor zehn Jahren waren nur 45 Prozent der Meinung, dass Einwanderung dem Land mehr nützt als schadet. Heute sind es 54 Prozent. Trump zum Trotz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2016)

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