Export: Wie man beim Sprung über den Atlantik nicht stolpert

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Trotz allen Wachstums in Asien sind die USA nach wie vor die größte Volkswirtschaft der Welt. Sie bietet heimischen Firmen viele Chancen – wenn man häufige Fehler vermeidet.

Wien. Wird in Österreich über Exportchancen im Ausland gesprochen, dann über Länder wie Rumänien, Russland oder auch China. Die stark wachsenden Schwellenländer des Ostens stehen im Fokus der meisten heimischen Unternehmen. Dabei wird mitunter vergessen, dass es auch in der anderen Himmelsrichtung noch gehöriges Wachstum gibt. Denn nach wie vor sind die USA die größte Volkswirtschaft der Welt. Produkte im Wert von knapp 9,1 Mrd. Euro exportierten die heimischen Firmen im Vorjahr über den Atlantik. 50 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren (siehe Grafik). Und auch mehr als nach Rumänien, Russland und China zusammen. Im Vorjahr haben die USA auch erstmals Italien als zweitgrößten Handelspartner Österreichs abgelöst.

Der 320-Millionen-Einwohner-Markt zwischen New York und Los Angeles ist somit auch für österreichische Unternehmen weiterhin ein hoch attraktives Pflaster. Allerdings sollten sie dabei ein paar wichtige Punkte beachten und gängige Fehler nicht machen.

1. Hollywood-Wissen reicht nicht aus. Die USA sind Europa weniger ähnlich, als man glaubt.

Die USA sind Europäern sehr vertraut. Viele waren dort schon auf Urlaub, im TV bekommt man täglich einen Einblick, wie das Land so funktioniert. Doch genau hier lauert eine Falle, sagt Rudolf Thaler, Wirtschaftsdelegierter in Los Angeles. Während Europäer etwa in Asien sehr viel Bedacht darauf nehmen, sich an die lokalen Gegebenheiten und Sitten anzupassen, und dadurch auch wenige Fehler machen, ist dies in den USA oft anders, so Thaler. Hier verhalten sich Österreicher oft so wie daheim und lösen ungewollt Missverständnisse aus. Ein Beispiel dafür ist die Kommunikation per E-Mail, wenn es etwa um die Legung eines Angebots geht. Amerikaner wünschen sich eine sofortige Antwort, am besten noch am selben Tag. Dafür kann diese ruhig auch etwas ungenauer sein. Heimische Firmen wollen hingegen oft ein perfektes Angebot legen und melden sich erst Tage oder Wochen später zurück. Das wird als mangelndes Interesse ausgelegt, der Auftrag ist dann vielleicht schon bei der Konkurrenz. Auch Fehler und Probleme werden viel offener angesprochen. Es geht dabei aber nicht um die Zuweisung von Schuld, sondern um die Suche nach einer Lösung.

2. Nicht alles, was in Österreich oder Europa funktioniert, muss auch in den USA funktionieren.

Ein Beispiel, das von vielen Österreichern, die in den USA tätig sind, als typischer Unterschied beim Zugang zu Produkten genannt wird: sie Waschmaschine. In Europa – und vor allem den technikaffinen Ländern Österreich und Deutschland – müssen Geräte durch viele Funktionen glänzen. Je mehr Waschprogramme eine Waschmaschine etwa hat, als desto besser gilt sie. In den USA ist das anders. Amerikaner wollen bei gewissen Produkten gar nicht zu viel Funktionalitäten haben. Das verwirrt nur die Kunden und treibt den Preis in die Höhe, so das Argument. Vor allem im Konsumgeschäft sollten Produkte daher auf das Wesentliche beschränkt werden. Etwas anders ist das bei Industrieprodukten. Hier schauen auch Amerikaner auf Funktionalitäten und Qualität und sind auch bereit dafür zu bezahlen.

3. Wer in die USA geht, sollte genau wissen, was und wo er es umsetzen will.

Die USA sind ein Riesenland, das auch lang nicht so einheitlich ist, wie man in Europa gern glaubt. Wer dort tätig sein will, sollte sich also genau überlegen, wo er geografisch den Beginn macht. Das hängt natürlich sehr stark von dem konkreten Produkt ab. So hat beispielsweise Technologie für erneuerbare Energie vor allem in jenen Bundesstaaten Sinn, in denen hohe Energiepreise und eine grüne Stimmung ein Thema sind – etwa Kalifornien. „Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, sich einen lokalen Testmarkt zu suchen und diesen auch entsprechend zu bearbeiten“, sagt Thaler. Halbherzig in die USA zu gehen habe keinen Sinn.

4. Think Big. Die USA sind nach wie vor das Heimatland des Marketings.

Klotzen, nicht kleckern lautet die Devise in den USA. Amerikanische Firmen sind begnadete Selbstvermarkter. Wer mit ihnen in Konkurrenz treten will, sollte sich daher nicht in falscher Bescheidenheit üben. Dazu muss auch entsprechend viel Geld für Werbung und das lokale Vertriebssystem in die Hand genommen werden. Der Schritt über den Atlantik sei deshalb eine Aufgabe für die Unternehmensspitze, sagt Thaler. Nur wenn diese voll dahintersteht, kann es zu einem Erfolg werden. Außerdem steht das Kundenwohl immer im Mittelpunkt. Die Loyalität der Kunden gegenüber gewissen Firmen ist deutlich geringer.

5. Wer in den USA tätig wird, sollte über die amerikanischen Regeln auch Bescheid wissen.

„Vor allem große Unternehmen aus Österreich oder Deutschland übersehen oft, dass sie in den USA eine ganz andere Stellung haben“, sagt Tycho Stahl, Anwalt bei der Kanzlei Arnall Golden Gregory in Atlanta, Georgia. Dies, und der Irrglaube, dass US-Steuerberater und -Anwälte sehr teuer seien, führe zu einer gewissen Beratungsresistenz. „Diese Fehleinschätzung der Situation kann dann wirklich teuer werden“, so Stahl. Er nennt das Beispiel eines österreichischen Betriebs, der mit Eigentumsvorbehalt Waren im Wert von zehn Mio. Dollar in die USA lieferte. Der Kunde zahlte nicht und ging pleite, die Österreicher hatten dennoch keinen Zugriff auf die Waren. Der österreichische Eigentumsvorbehalt wurde nicht anerkannt. Die Waren zurückzubekommen dauerte ein Jahr und kostete über 200.000 Dollar. „Hätten sie rechtzeitig 5000 Dollar gezahlt, damit ein US-Anwalt die Verträge aufsetzt, dann wäre es deutlich billiger gekommen. Kein großes Problem ist übrigens die Produkthaftpflicht“, sagt Stahl. Hierfür gebe es spezialisierte Versicherungen, die abzuschließen sind. „Man sollte Respekt, aber keine Angst vor möglichen Forderungen der Kunden nach Schäden haben“, so Stahl.

6. Gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden, ist schwierig. Die Lösung heißt Eigeninitiative.

Wer einen Schritt über den Export weitergeht und in den USA auch eine eigene Produktion aufmacht, wird bald mit dem Problem konfrontiert sein, gute Facharbeiter zu finden. Die Ausbildung von Handwerkern erfolgt in den USA nämlich durch Training on the Job bei Betrieben. Das Bildungssystem besteht aus der High-School und den darauf folgenden Colleges. Eine mit der heimischen Lehre vergleichbare Ausbildung zum Facharbeiter gibt es nicht. Dies kann allerdings geändert werden, wie der Vorarlberger Hersteller von Möbelbeschlägen Blum zeigt. Er hat bei seinem Werk bei Charlotte, North Carolina, zusammen mit anderen Firmen ein System für die Rekrutierung und Ausbildung von High-School-Abgängern eingeführt. Die benötigten Facharbeiter werden so selbst im Unternehmen gebildet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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