Draghi verteidigt die Ehre der EZB

European Central Bank President Mario Draghi attends a meeting with German lawmakers in Berlin
European Central Bank President Mario Draghi attends a meeting with German lawmakers in BerlinREUTERS
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Langfristig würden auch deutsche Sparer von einer Erholung in der Eurozone profitieren, sagt EZB-Chef Mario Draghi in Berlin – in einer Rede vor seinen schärfsten Kritikern.

Berlin/Wien. Es war eine Übung in Realpolitik, die EZB-Chef Mario Draghi am Mittwoch vor dem Deutschen Bundestag absolvierte. Eigentlich ist der oberste Notenbanker Europas nur dem EU-Parlament Rechenschaft schuldig, nicht etwa dem deutschen Bundestag.

Eigentlich. Denn die Realität sieht anders aus: Deutschland ist die mit Abstand stärkste und wichtigste Volkswirtschaft in der EU. Das Gebäude der EZB steht nicht zufällig in Frankfurt – die Notenbank wurde nach dem Vorbild der legendären Deutschen Bundesbank gegründet.

Und nicht ohne Grund erwähnte Draghi in seiner Rede diese Bundesbank gleich mehrmals, denn aus Deutschland kommt die lauteste Kritik an der lockeren Geldpolitik der EZB. Diese schade den Sparern und helfe den Ländern des europäischen Südens auf deutsche Kosten, heißt es. Nun, eines kann man dem Italiener nicht vorwerfen: Er ist der Kritik nicht aus dem Weg gegangen, sondern hat direkt geantwortet.

„Als ich vor vier Jahren vor dem Bundestag gesprochen habe, waren wir auf dem Höhepunkt der Krise“, sagte Draghi. „Heute ist die Eurozone in besserer Verfassung.“ Die als allzu locker kritisierte Geldpolitik der EZB habe geholfen, eine neue Depression zu verhindern. Und die nun folgende Erholung sollte auch den Sparern und Pensionisten in Deutschland nutzen. Dennoch: „Ich verstehe, dass die Menschen Sorgen haben. Wir nehmen diese Sorgen erst.“

Maßnahmen wirken

„Wie jede geldpolitische Entscheidung haben auch unsere Maßnahmen Verteilungseffekte. Aber unter dem Strich profitieren Sparer, Arbeiter, Unternehmer, Pensionisten und Steuerzahler in Deutschland und der ganzen Eurozone – heute und morgen“, so Draghi. Er erinnerte daran, dass die EU-Verträge der EZB den Auftrag geben, die Preisstabilität zu wahren. Dieser Auftrag sei die Basis für Entscheidungen im EZB-Rat. Das Ziel sei eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent. „Manchmal fragen sich die Leute, ob Preisstabilität nicht eine Inflationsrate von null Prozent erfordere. Nein, denn sowohl allzu hohe Inflation als auch allzu niedrige Inflation kann der Wirtschaft schaden“, so Draghi.

Derzeit müsse eben verhindert werden, dass die Inflation allzu niedrig ausfalle. Dabei habe man auch Erfolg, so der EZB-Chef: „Wir erwarten, dass unsere Maßnahmen die Inflationsrate um mehr als einen halben Prozentpunkt heben werden.“

„Aktuell keine Überhitzung“

Draghi erinnerte auch daran, dass nicht allein die nominelle Zinsrate für Sparer entscheidend ist: „Ja, die aktuell niedrigen Zinsen reduzieren den nominellen Ertrag auf Sparkonten. Aber für Sparer zählt die reale Zinsrate.“ Man müsse also die Inflation von der nominalen Zinsrate abziehen. Und Phasen niedriger realer Zinsen habe es vor der Euroeinführung immer wieder gegeben – auch in Deutschland. Außerdem gebe es auch positive Effekte der Geldpolitik für die Deutschen, so Draghi: „Was ein Haushalt wegen der niedrigen Sparzinsen verliert, kann er wegen der niedrigen Kreditzinsen auch sparen. Außerdem könnte er von steigenden Aktien- und Anleihenpreisen in seinem Pensionsfonds profitieren.“

Auch die Angst vor Preisblasen hat Draghi angesprochen: „Natürlich bringen niedrige Zinsen langfristig das Risiko von Überbewertungen auf den Assetmärkten mit sich.“ Aber die Notenbank würde diese Gefahren genau beobachten, auch auf lokalen Immobilienmärkten. „Aktuell sehen wir keine Überhitzung in der Eurozone oder in der deutschen Wirtschaft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2016)

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