Die jüngste Förderkürzung gibt dem Ölpreis Auftrieb. In den Himmel wachsen werden die Notierungen aber nicht.
Das Erdölkartell Opec, vor dessen Drehen am Ölhahn und an der Ölpreisschraube in den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts die ganze industrialisierte Welt erzitterte, war schon abgeschrieben. Doch in der vergangenen Woche haben Kartellisten in der algerischen Hauptstadt erstmals seit Langem wieder Nägel mit Köpfen gemacht. Sie haben eine Kürzung ihrer Tagesproduktion um 750.000 Barrel (zu je 159 Litern) beschlossen. So etwas ist ihnen zuletzt vor acht Jahren gelungen.
Der Ölmarkt (und mit ihm der Aktienmarkt) hat am ersten Tag sehr positiv reagiert, dann aber gleich wieder in den Alltagsmodus geschaltet. Seither bewegt sich der Ölpreis nur noch leicht nach oben. Der Grund ist ein einfacher: Die Förderkürzung sieht auf dem Papier zwar gut aus, sie muss aber erst in die Praxis umgesetzt werden. Immerhin hat das Kartell eine Reihe von Mitgliedern mit sehr divergierenden Interessen. Den meisten von ihnen ist das eigene budgetäre Hemd näher als der Kartellrock.
Aber selbst wenn sie diesmal mit Produktionsdrosselungen wirklich ernst machen, ist der Weg des Ölpreises nach oben keineswegs frei. Zahlreiche Ölproduzenten mit teuren Quellen außerhalb des Kartells (beispielsweise die gesamte US-Frackingindustrie) warten nur darauf, bis der Ölpreis wieder ein wenig anzieht, um ihre defizitären Förderanlagen wieder in Betrieb nehmen zu können.
Damit könnte die künstliche Marktverknappung sehr schnell wieder Geschichte sein. Das begrenzt den Ölpreis nach oben doch wieder beträchtlich. Die Barrel-Notierung könnte demnächst also durchaus die 50-Dollar-Marke nach oben durchbrechen. Aber auf einen nachhaltigen Ölpreisboom muss man sich nicht unbedingt einstellen. Zumal ja die anhaltend schwächelnde Weltkonjunktur auf Nachfrageseite recht wenig Impulse zu bieten hat. Experten gehen davon aus, dass kurzfristig in der Gegend von 55 Dollar vorerst einmal Schluss mit dem Aufwärtstrend sein könnte.
Eine gute Nachricht haben die Rohstoffanalysten für Ölproduzenten und Anleger in ölaffinen Finanzprodukten aber doch: Die Opec-Einigung begrenzt, so sie halbwegs umgesetzt wird, das Preisband nach unten. Unter 45 Dollar dürfte die Notierung in absehbarer Zeit nicht mehr fallen. Das unterscheidet die Lage jetzt schon von den noch im Vorjahr gewälzten Szenarien von Ölnotierungen in der Dreißigergegend.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2016)