Risse im Exportwunder Österreich

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Heimische Industrieunternehmen verlieren Wettbewerbsfähigkeit, nur der schwache Euro hilft. Die Produktivität wächst seit Jahren kaum. Die Marktanteile am Weltmarkt sinken.

Wien. In einer Zeit, in der die Globalisierung medial zu Grabe getragen wird, kommt diese kleine Erfolgsnachricht für Österreichs Exporteure gerade recht: Die Industrie konnte ihre Lohnstückkosten, einen wesentlichen Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit, im Vorjahr gegenüber ihren weltweiten Handelspartnern leicht verbessern. Das Wifo errechnet immerhin ein Plus von 1,2 Prozent, was Waren aus Österreich jenseits der Grenzen deutlich billiger gemacht hat. Zum Feiern ist es aber noch zu früh. Denn diese Entwicklung verdankt die Industrie nicht etwa moderaten Löhnen und großen Produktivitätssprüngen, sondern einzig und allein dem schwachen Euro.

Europas Gemeinschaftswährung verbilligte sich 2015 gegenüber dem US-Dollar, dem britischen Pfund und dem japanischen Yen 2015 so stark, dass sie den Anstieg der heimischen Lohnstückkosten mehr als ausgleichen konnte. Im Vergleich mit den Handelspartnern in der Eurozone, wo Währungseffekte keine Rolle spielen, sieht Österreichs Situation hingegen deutlich düsterer aus. Die Position der heimischen Industrie hat sich gegenüber den anderen Mitgliedsländern um 0,6 Prozent verschlechtert.

Lange Produktivitätspause

Diese Entwicklung ist nicht neu: Seit Ausbruch der Krise steigen die Lohnstückkosten deutlich schneller als im Rest des Euroraums, worunter die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Produkte „Made in Austria“ leidet. An zu generösen Lohnabschlüssen liege das nicht, sagt Wifo-Ökonom Thomas Leoni zur „Presse“. Vielmehr habe die Industrie ein Produktivitätsproblem.

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Im vergangenen Jahr konnten die Unternehmen ihre Produktivität gerade noch um 1,1 Prozentpunkte steigern. Das ist halb so stark wie der Schnitt der Euroländer. Noch schlimmer stellt sich die Lage dar, wenn man die gesamten Volkswirtschaften, also etwa inklusive Dienstleistungen, vergleicht. Nach aktuellen Eurostat-Daten stiegen die Lohnstückkosten in Österreich seit 2010 um mehr als zehn Prozent an (siehe Grafik). Nur Bulgarien und die baltischen Länder, allesamt Staaten im wirtschaftlichen Aufholprozess, wurden noch schneller teurer. Schweden, Finnland und Deutschland liegen mit Österreich etwa gleichauf.

Für die innereuropäische Stabilität mag ein günstigeres Spanien, Griechenland oder Portugal gut sein. Für ein Exportland wie Österreich stellt sich jedoch eine entscheidende Frage: Sind die Lohnstückkosten schon so stark gestiegen, dass dadurch Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gefährdet werden?

Ökonom Leoni will darauf keine abschließende Antwort geben. Die Entwicklung in Europa sei makroökonomisch zu begrüßen, da so die Gefahr weiterer Krisen innerhalb der Währungsunion sinke. Problematisch sei in seinen Augen vielmehr, dass sich Europa gegenüber dem Rest der Welt nicht habe verbessern können.

Österreichs Marktanteil sinkt

In Österreich sei es derzeit schwer zu unterscheiden, ob die Entwicklung nur der schwachen Konjunktur geschuldet sei, „oder ob wir wirklich ein strukturelles Problem haben“. Der Leistungsbilanzüberschuss von zehn Milliarden Euro zeige immerhin, dass Österreich „nicht sofort aus dem Markt geschoben“ werde.

Doch nicht alle sehen die Lage so entspannt: Experten der EU-Kommission, OECD und Nationalbank warnten wiederholt, Österreichs Exporteure würden auf dem Weltmarkt seit 2008 stetig Marktanteile verlieren. Die steigenden Lohnstückkosten sind dafür nicht die einzige Erklärung, tragen aber sicher ihren Teil dazu bei. Niedrigere Löhne, Steuern und Abgaben oder längere Arbeitszeiten könnten helfen, der Produktivität im Land wieder auf die Sprünge zu helfen. „Man muss die Situation genau im Auge behalten“, warnt auch Leoni. Darauf zu warten, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt und alles in Ordnung bringt, ist nicht genug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2016)

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