Deutsche Frauen sollen besser bezahlt werden

German Family Minister Schwesig attends news conference in Berlin
German Family Minister Schwesig attends news conference in BerlinREUTERS
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Die Betriebe werden zu mehr Transparenz gezwungen. Das Gesetz geht weiter als in Österreich.

Berlin. Dass Frauen und Männer für denselben Job nicht dasselbe verdienen, ist kein deutsches, sondern ein internationales Phänomen. Aber Deutschland zählt zu den Spitzenreitern in dieser Kategorie. Die Lohnlücke liegt dort im Schnitt zwischen 21 und sieben Prozent. Jetzt soll sie geschlossen werden. Die Regierung aus Union und SPD kündigte am Donnerstagabend ein Gesetz an, das der Wirtschaft nicht gefällt. Auch in der Union sind die Pläne umstritten: Der Wirtschaftsflügel will Widerstand leisten.

Wogegen? Der Gesetzesentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht in allen Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern einen Auskunftsanspruch vor, wenn ein Mitarbeiter – egal, ob Frau oder Mann – wissen möchte, ob er geschlechtsneutral entlohnt wird. Das Einkommen wird dann mit dem von mindestens fünf Kollegen des anderen Geschlechts, die gleichwertige Arbeit leisten, verglichen. Dabei wird ein Durchschnittseinkommen ermittelt, ohne einzelne Gehälter offenzulegen. Stellt sich eine Benachteiligung heraus, muss der Arbeitgeber das ändern.

In Unternehmen ohne Betriebsrat und ohne Tarifvertrag (in Österreich: Kollektivvertrag), also in jenem Bereich, in dem mehr Ungerechtigkeiten vermutet werden, können Arbeitnehmer diese Auskunftspflicht direkt beim Arbeitgeber einfordern. In Betrieben mit Tarifbindung muss das Prozedere über den Betriebsrat laufen. Wo es einen Tarifvertrag, aber keinen Betriebsrat gibt, sollen Vertreter der regionalen Tarifparteien im Sinn der Beschäftigten handeln.

Berichtspflicht für Große

Kapitalgesellschaften mit mindestens 500 Mitarbeitern werden verpflichtet, über ihre Lohnstruktur zu berichten. Betroffen sind 4000 Unternehmen mit 6,6 Millionen Beschäftigten. Insgesamt umfasst das Gesetz 14 Millionen Arbeitnehmer. Auch im öffentlichen Dienst kommt die Auskunftspflicht. Und Betriebe unter 200 Mitarbeitern? „Wir arbeiten an einer Evaluationspflicht“, sagte Schwesig. Die Ministerin hatte für die SPD ohnehin schon das Maximum herausgeholt, denn die Union wollte das gesamte Gesetz ursprünglich auf Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern beschränken.

Mit diesem Vorhaben geht Deutschland weiter als Österreich, wo Unternehmen zwar schon ab 150 Mitarbeitern einen Einkommensbericht erstellen müssen. Allerdings sind Arbeitnehmer und Betriebsrat zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dringen Details nach außen, drohen Verwaltungsstrafen und Jobverlust. Faktisch ist man in Gehaltsdebatten meist weiterhin auf den guten Willen des Arbeitgebers angewiesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2016)

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