Eurogruppe genehmigt 1,1-Milliarden für Griechenland

Die unbewältigte Schuldenkrise ist in Athen trotz anhaltender Proteste und politischer Kontroversen zum Alltag geworden. Touristen kommen trotzdem.
Die unbewältigte Schuldenkrise ist in Athen trotz anhaltender Proteste und politischer Kontroversen zum Alltag geworden. Touristen kommen trotzdem.REUTERS
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Weitere 1,7 Milliarden Euro könnten bald nach Griechenland fließen. Auf der Agenda der Beratungen Euro-Finanzminister stehen auch Privatisierungen und Arbeitsmarkt.

Brüssel/Luxemburg. Angesichts der Unwägbarkeiten der Flüchtlingskrise und der bevorstehenden Austrittsverhandlungen mit Großbritannien sind die griechischen Schulden ein vertrautes, lokal begrenztes Thema, zu dem die Entscheidungsträger der EU vermutlich gern zurückkommen. Am Montag war es wieder einmal so weit: Die Finanzminister der Eurozone erörterten bei ihrem regulären Treffen in Luxemburg die einstige Causa prima der Europa-Politik – und angesichts der Tatsache, dass die zu behandelnden Themen seit Jahren unverändert sind, konnte man als Beobachter fast nostalgisch werden. Es gibt grünes Licht für die Auszahlung von zunächst nur 1,1 Milliarden Euro.

Wo stehen wir also im achten Jahr der griechischen Schuldenodyssee? Seit das dritte Hilfsprogramm für den überschuldeten Mitgliedstaat der Eurozone vereinbart wurde, ist mittlerweile mehr als ein Jahr vergangen – und von den zugesagten 86 Mrd. Euro wurden bereits knapp 30 Mrd. Euro nach Athen überwiesen. Die ersten zwei Hilfsprogramme aus den Jahren 2010 und 2012 summierten sich auf knapp 200 Mrd. Euro, das laufende Programm soll den griechischen Staatshaushalt bis Mitte 2018 finanzieren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die griechische Regierung erstens an die gemachten Reformzusagen hält und zweitens keiner der beteiligten Geldgeber abspringt. Über beiden Voraussetzungen schwebt ein Fragezeichen.

2,8 Milliarden für Griechenland

Die Eurogruppe hat am Montag in Luxemburg grünes Licht für die Auszahlung weiterer Hilfsgelder gegeben. Allerdings sind es von den 2,8 Mrd. Euro zunächst nur 1,1 Milliarden. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem erklärte nach der Sitzung, Athen habe die Erfüllung der 15 Meilensteine mit großen Fortschritten erreicht.

Wobei die Zeit momentan nicht sonderlich drängt, denn für die laufenden Staatsgeschäfte hat Athen genug Mittel zur Verfügung, und bis Jahresende müssen keine großen Kreditraten getilgt werden.

In einer zweiten Tranche könnten die restlichen 1,7 Mrd. Euro bis Ende Oktober ausbezahlt werden. Im Zusammenhang mit der Beseitigung der Zahlungsrückstände des Staates an Unternehmen würden nicht genügend Daten vorliegen. Diese müssten noch zusammengetragen werden, so Dijsselbloem, "wir gehen davon aus, dass das bis Ende Oktober vorliegt und der ESM über die Auszahlung der 1,7 Mrd. entscheiden kann".

Bei den Finanzministern der Eurozone gab es zuletzt  Auffassungsunterschieden bei Detailfragen. So wurde etwa die Telefongesellschaft OTE bis dato zu 95 Prozent privatisiert, nicht aber hundertprozentig, wie vereinbart. Auch der österreichische Ressortchef Hans Jörg Schelling (ÖVP) sagte gestern vor dem Beginn der Beratungen in Luxemburg, dass Athen „zwischenzeitlich so ziemlich alles erfüllt hat“.

Ein heikler Punkt, der demnächst angegangen werden soll, ist die Reform des griechischen Arbeitsmarkts. Im Rahmen des zweiten Hilfsprogramms setzte die damalige konservative Regierung Maßnahmen zur Liberalisierung um, die das jetzige Kabinett von Premier Alexis Tsipras zumindest teilweise rückgängig machen will – es geht um Mindestlöhne und Kollektivverträge. Rückendeckung bekommt Athen diesbezüglich vom gemeinschaftlich besetzten Expertenrat: Sechs der insgesamt acht Experten sprachen sich Ende September für einen kollektivvertraglich festgesetzten Mindestlohn aus. Bereits im Vorjahr waren Experten des Thinktanks Bruegel zur Erkenntnis gelangt, dass das ursprüngliche Beharren der Geldgeber auf Arbeitsmarktliberalisierung kontraproduktiv war, weil andere Produktmärkte nicht im gleichen Ausmaß liberalisiert wurden – in Folge wurden fallende Löhne nicht durch fallende Preise kompensiert, was die griechische Wirtschaftskrise unnötig verschärfte.

Der IWF ziert sich

Fragezeichen Nummer zwei betrifft die Teilnahme des IWF am Hilfsprogramm. Finanzminister Schelling zeigte sich am Montag zwar zuversichtlich, dass der Fonds mit an Bord sein werde, doch aus Washington gab es bisher keine Zusage. Hintergrund: Der IWF hält die griechischen Schulden (aktuell machen sie rund 182 Prozent der Wirtschaftsleistung aus) für zu drückend und macht seine Teilnahme am Hilfsprogramm von einem Schuldenschnitt abhängig – die EU will diesbezüglich aber erst Mitte 2018 nach dem Abschluss des laufenden Hilfsprogramms reden. Aussagen der deutschen Regierung, wonach der Fonds seine Teilnahme bis Jahresende zusagen werde, wies der IWF zuletzt zurück – noch sei nichts entschieden, hieß es.

Auf einen Blick

Aus dem laufenden, 86 Mrd. Euro schweren dritten Hilfsprogramm für Griechenland wurden bereits rund 28 Mrd. Euro nach Athen überwiesen. Die Ausgaben für die laufenden Staatsgeschäfte kann die griechische Regierung aus eigener Kraft begleichen, bis Jahresende müssen keine größeren Kreditraten getilgt werden. Die griechische Staatsverschuldung beläuft sich derzeit auf rund 182 Prozent des BIPs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2016)

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