Londoner Banker wollen nicht umziehen

File photo of a city worker walking through the City of London
File photo of a city worker walking through the City of LondonREUTERS
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Banker drohen mit Klagen gegen mögliche Versetzungen auf den Kontinent. Der Brexit bringt den Instituten hohe Kosten.

Auch wenn die Konditionen des Brexits noch unklar sind, steht eins schon fest: Der Ausstieg aus der EU wird teuer für die Londoner Banken. Denn unabhängig von der Frage, welche Geschäftssparten wohin verlagert werden, zeichnet sich ab, dass viele Banker die Metropole an der Themse gar nicht verlassen wollen. Sie wären wohl nur mit großzügigen Anreizen zu einem Standortwechsel zu bewegen. Einige Banker haben bereits Anwälte kontaktiert und erwägen eine Klage, sollte ihr Arbeitgeber sich nach einem Brexit für einen neuen Sitz in Paris oder Frankfurt entscheiden. "Es wäre sehr schwierig, für meine Familie und mich umzuziehen", erklärt einer von ihnen.

Den Chefs ist die Problematik durchaus bewusst: Vor dem
Referendum hatte der Vorstandsvorsitzende der Großbank
HSBC, Stuart Gulliver, geschätzt, dass nur etwa 20
Prozent seiner rund 5.000 Londoner Mitarbeiter im
Kapitalmarktgeschäft bereit wären, nach Paris umzuziehen. Der Europa-Chef der US-Bank Bank of America Merrill Lynch, Alex Wilmot-Sitwell, vergleicht den Standortwechsel einer Bank - und die ihres Personals - gar mit dem Transport von Risikomaterial: "Man befördert Atommüll auch nicht hektisch, sondern in einem sehr vorsichtig koordinierten und gemanagten Prozess."

In diesem Prozess gilt es für die Banken zunächst, die
möglichen Klagen ihrer Mitarbeiter gegen einen Umzug abzuwenden. Die Gerichte entschieden in solch einer Situation oft im Sinne des Arbeitnehmers, erklärt Kevin McCavish von der Anwaltskanzlei Shoosmiths. "Schließlich haben die Kläger oft Kinder, die noch zur Schule gehen, und Partner, die für Unternehmen arbeiten, bei
denen ein Standortwechsel nicht möglich ist."

"Fast niemand würden nach Frankfurt gehen"

Viele Banker könnten ihren Arbeitgeber aber auch dann
verklagen, wenn die Geldhäuser das Brexit-Thema einfach für Entlassungen missbrauchen. Denn nach dem britischen Gesetz haben Arbeitnehmer ein Recht darauf, ihren Job zu behalten, wenn sie bereit sind, für die gleichen Bedingungen an einem anderen Standort zu arbeiten. Crowley Woodford von der Anwaltskanzlei Ashurst geht trotzdem davon aus, dass neun von zehn Konzernen
Entlassungen in Erwägung ziehen werden.

Das Beratungsunternehmen Oliver Wyman schätzt, dass bei einem Brexit rund 75.000 Jobs im Finanzsektor verloren gehen könnten. Diese würden nicht zwingend
wieder im EU-Ausland aufgebaut werden, denn eine Verlagerung nach Paris oder Frankfurt wäre für manche Unternehmenszweige zu aufwendig. "Entlassungen wären oft günstiger und würden die Banken flexibler machen", erklärt auch McCavish.

Großzügige Abfindungsangebote als Ausweg?

Eine Option für die Banken könnten großzügige
Abfindungsangebote sein. Sie würden viele Arbeitnehmer davon abhalten, einen teuren Rechtsstreit zu beginnen. Vor allem weil die maximale Entschädigungssumme bei einer unrechtmäßigen Entlassung in Großbritannien bei 79.000 Pfund (etwa 87.000 Euro) liegt. Dies ist relativ wenig, wenn man die Prozesskosten für die Kläger mit einkalkuliert.

Einige Banker überlegen derweil, nach dem Brexit als Pendler weiterzuarbeiten. Schließlich ist Paris mit dem Eurostar nur wenige Stunden entfernt. Ein anderer Banker könnte sich unter den richtigen Konditionen sogar einen Umzug nach Paris vorstellen. "Dort gibt es ein großes kulturelles Angebot und man kann viel unternehmen." Ob er auch in Frankfurt leben würde? "Nein", antwortet er entschieden. "Fast niemand würde nach Frankfurt gehen."

(APA/Reuters)

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