Kaiser's Tengelmann: Ist das der letzte große Ausverkauf?

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FILES-GERMANY-DISTRIBUTION-SUPERMARKET-KAISER´S(c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Die Tengelmann-Supermärkte dürften endgültig zerschlagen werden. Übernahmekandidat Edeka soll darüber nicht ganz traurig sein.

Wien. Keiner will sich den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Die Karte würde im Kampf um die defizitäre deutsche Supermarktkette Kaiser's Tengelmann bedeuten, die Verantwortung für Tausende Arbeitslose übernehmen zu müssen. So lautet zumindest das Drohszenario von Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub, mit dem er seit Herbst 2014 gegen eine Zerschlagung seiner Kette und für deren Komplettübernahme durch den Branchenführer Edeka mobil macht. Wenn sie nicht als Ganzes übernommen würde, fielen mehr als die Hälfte der rund 15.000 Arbeitsplätze weg, rechnete er vor.

Startschuss für Zerschlagung

In der bewegten Geschichte rund um Tengelmann sah es bereits oft aus, als sei der Deal endgültig gescheitert. Doch die gestern, Montag, begonnene Bietersuche könnte nun den endgültigen Schlussstrich unter den Fall ziehen. „Wir beginnen heute“, hieß es vonseiten Tengelmanns zum Startschuss für die Zerschlagung der rund 400 verbliebenen Geschäfte.

Dabei waren die Zeichen bei Spitzengesprächen in kleiner Runde Anfang Oktober noch auf Einigung gestanden. Gemeinsam mit dem größten Gegner der Fusion, dem im umkämpften deutschen Lebensmittelhandel zweitplatzierten Kölner Rewe-Konzern, und der Gewerkschaft schien man einen Konsens über eine blockweise Aufteilung des Unternehmens erreicht zu haben. Die Handelskonkurrenten wollten ihr gerichtliches Veto aufgeben – dafür sollten sie Ausgleichszahlungen und Filialen erhalten. Vergangenen Donnerstag folgte der abrupte Abbruch der Gespräche. Seitdem richten sich Tengelmann-Chef Haub und Rewe-Boss Alain Caparros via Medien Beschimpfungen und Schuldzuweisungen aus – und dem Rest des Landes ihren persönlichen Willen zu weiteren Gesprächen.

Sollten sich die erbitterten Rivalen nochmals an einen Tisch setzen– wie ihnen selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag nahelegte –, könnten die Bedingungen, an die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im März seine umstrittene Ministererlaubnis für den Deal knüpfte, aufrecht bleiben. Im Fall einer Zerschlagung wären sie mit Verkauf des ersten Ladens null und nichtig.

Inzwischen, heißt es, dürfte aber selbst Edeka der Kauf ausgewählter Filialen lieber sein. So könnte der Konzern um die besten Standorte buhlen, ohne die ministeriellen Auflagen erfüllen zu müssen: etwa die ersten fünf Jahre keinen Mitarbeiter betriebsbedingt zu kündigen oder die mit der Gewerkschaft zäh ausgehandelten Tarifverträge einzuhalten.

Wie es derzeit aussieht, dürfte der für die Bieter wie auch Kaiser's Tengelmann wirtschaftlich gewinnbringendste Weg eingeschlagen werden: Lukrative Supermärkte werden an den Höchstbieter verkauft, Ladenhüter zugesperrt und damit der Markt bereinigt. So offen will das aber natürlich keiner aussprechen. Dafür sprach Rewe-Boss Caparros in seiner medialen Abrechnung mit dem „Sonnenkönig“ Haub eine andere Wahrheit an. „Wer jetzt nicht zum Zug kommt, der ist auf viele Jahre hin abgehängt“, stellte er in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ fest.

Letzte Kaufchance

Das scheint bizarr, wenn man sich in Erinnerung ruft, mit welchem Argument Haub die Wettbewerbshüter beschwichtigen wollte: Tengelmann habe 0,6 Prozent Marktanteil am deutschen Lebensmittelhandel. Eine Fusion falle nicht ins Gewicht. Das Kartellamt hatte aber denselben Gedankengang wie Caparros: Tengelmann ist Deutschlands größte verbliebene Supermarktkette abseits der „großen vier“, Edeka, Rewe, Lidl (Schwarz-Gruppe) und Aldi. Wenn dieser Kuchen aufgeteilt ist, gibt es auf absehbare Zeit nichts mehr aufzuteilen.

Nun hat Haub bereits angekündigt, Edeka zumindest in kartellrechtlich unproblematischen Fällen Vorrang vor anderen Bietern einzuräumen. Es bleibt abzuwarten, wie die Kartellwächter und Rewe darauf reagieren werden. (loan)

AUF EINEN BLICK

Streit. Gestern leitete die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann ihre Zerschlagung ein. Gespräche mit Konkurrenten über die Aufteilung des Unternehmens waren gescheitert. Diese hatten zuvor Klage gegen eine Ministererlaubnis Sigmar Gabriels (SPD) erhoben, der einer Komplettübernahme durch Edeka sein O. k. gegeben hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2016)

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