Europa: In Babyschritten aus der Krise

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Die Inflationsrate verdoppelt sich in Europa auf 0,4 Prozent. In Österreich steigt sie wieder auf mehr als ein Prozent. Gleichzeitig sinkt die Armutsgefährdung in der EU wieder.

Wien. Noch sind die Fortschritte klein, aber der wirtschaftliche Trend ist in Europa wieder positiv. Das für die Geldpolitik wichtigste Barometer, die Teuerung, hat sich im September sogar verdoppelt: allerdings nur von 0,2 auf 0,4 Prozent. In Österreich ist die Inflationsrate sogar wieder über die Ein-Prozent-Marke geklettert. Der Grund: Die Geldflut der Europäischen Zentralbank einerseits – und die schwächer fallenden Energiepreise andererseits. Auch die Armutsgefährdung ist in Europa wieder auf das Niveau von vor der Krise gesunken. Ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen.

Die Inflationsrate steigt in der Eurozone wieder stärker.

Nachdem die EZB im vergangenen Jahr noch eine Deflation, also das Fallen der Preise auf breitem Niveau, befürchtet hatte, kletterten die Preise in der Eurozone zuletzt wieder um 0,4 Prozent. Derselbe Wert wurde in der gesamten EU gemessen. Das klingt nach wenig, der Preisanstieg fällt aber so stark aus wie schon länger nicht mehr.

Ein Grund: Die von der EZB eingeleiteten Gegenmaßnahmen. Die Zentralbank pumpt seit März 2015 jährlich rund 80 Mrd. Euro in den Markt, um die Deflation zu bekämpfen. Der Hauptgrund für den Aufwärtstrend bei der Teuerung ist aber, dass die Energiepreise ihr Tal durchschritten haben und die Statistik nicht mehr nach unten ziehen. In der EU weisen allerdings zehn Staaten weiterhin fallende Preise auf. In Bulgarien sind sie mit einem Minus von 1,1 Prozent zuletzt am stärksten gefallen.

Österreich nähert sich wieder dem Inflationsziel an.

Mit einer Preissteigerung von 1,1 Prozent (laut EU-Berechnung) lag Österreich in Europa auf Platz drei in der Teuerungs-Hitparade. Nur Belgien (plus 1,8) und Estland (plus 1,7 Prozent) können sich über eine höhere Teuerung „freuen“. Freilich bedeutet Inflation immer Geldentwertung, aber die Zentralbanken bevorzugen eine milde Teuerung gegenüber einer echten Deflation, die die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale stürzen könnte. Die EZB peilt deswegen eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent an. Österreich ist traditionell eines der Länder mit der höchsten Inflation in der Eurozone – was wir steigenden Dienstleistungspreisen und stark steigenden Steuern und Gebühren zu verdanken haben.

Im September hat sich das Brot um 1,4 Prozent verteuert, die Wohnungsmieten sogar um 3,3 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen im Bereich Freizeit und Kultur sind um 2,8 Prozent gestiegen, Pauschalreisen sogar um 3,3 Prozent. In Wirtshäusern und Restaurants musste man um 3,1 Prozent mehr zahlen. Dem gegenüber stehen weiterhin sinkende Energiepreise: Die Treibstoffe haben sich um 3,5 Prozent verbilligt, Heizölpreise sind im Jahresabstand sogar um 8,8 Prozent gefallen.

Die Armutsgefährdung sinkt, aber 119 Mio. bleiben betroffen.

Erstmals ist die Gefahr, als EU-Bürger von Armut betroffen zu sein, wieder auf das Niveau von vor der Schuldenkrise gesunken. Das hat die EU-Behörde Eurostat am Montag bekannt gegeben. Demnach sind heuer 23,7 Prozent der Europäer gefährdet, vergangenes Jahr waren es noch 24,4 Prozent. Die größte Bedrohung lag in Bulgarien vor, die besten Werte erzielte Tschechien. Österreich liegt mit einer Armutsgefährdung von 18,3 Prozent unter dem Durchschnitt.

Aber auch wenn der Trend positiv ist: Es bleiben fast 120 Millionen Menschen betroffen. Auf sie trifft mindestens eines der folgenden Szenarien zu: Sie sind auch nach der Zahlung von Sozialleistungen von Armut bedroht, leiden unter großem materiellen Mangel oder leben in einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbstätigkeit.

Seit 2014 ist die Gefährdung in Österreich um 0,9 Prozentpunkte zurückgegangen. Im vergangenen Jahr waren in drei EU-Staaten mehr als ein Drittel der Menschen von Armut bedroht: in Bulgarien, Rumänien und Griechenland. Die niedrigste Gefährdung gab es in Tschechien, Schweden, den Niederlanden und Finnland.

Die EZB wird die Zinsen trotz allem noch lang nicht heben.

Von klassischer Zinspolitik kann bei der Europäischen Zentralbank ohnehin keine Rede mehr sein. Der Leitzins steht auf null, der Einlagezins für Banken ist im negativen Bereich. Zusätzlich pumpt die Zentralbank viele Milliarden in die Wirtschaft. Daran wird sich auch bei der EZB-Sitzung am Donnerstag nichts ändern. Die Zinsen sollen noch lang tief bleiben. Zu erwarten sind eher Hinweise auf eine Nachjustierung der geldpolitischen Lockerungen im Dezember. Derzeit sind die Anleihenkäufe der EZB auf insgesamt 1,74 Billionen Euro ausgelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2016)

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