Immer wieder ganz oben

(c) Hans Blossey / picturedesk.com
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Einst hieß es, Japan werde Amerika aufkaufen. Dann war die Sorge wegen China groß. Doch nach wie vor ist es die US-Volkswirtschaft, in der die wettbewerbsfähigsten Firmen entstehen.

Die Japanisierung Amerikas.“ „Das japanische Kauffest.“ „Japan kauft uns mit unserem eigenen Geld.“ Solche Schlagzeilen waren in den 1980er-Jahren in US-Zeitungen alltäglich. Nicht nur in den großen bundesweiten Titeln wie der „Washington Post“ oder dem „Wall Street Journal“. Auch in Lokalblättern wie dem „Kentucky New Era“, dem „Albany Sunday Herald“ oder dem „Milwaukee Journal“. Die Angst vor übermächtigen japanischen Industriekonzernen war allgegenwärtig.

Auslöser war ein drastischer Verfall des Dollar gegenüber des Yen in Folge des sogenannten Plaza-Abkommens von 1985. Das Ziel, die Stärkung von US-Produkten gegenüber den japanischen Importen gelang zwar nur kaum. Nippons Firmen konnten mit ihren Handelsbilanzgewinnen von vier Mrd. Dollar pro Monat jedoch in den USA „shoppen“ gehen. So übernahm etwa Sony die traditionsreichen Columbia Pictures. Der Reifenhersteller Bridgestone kaufte US-Konkurrent Firestone einfach in bar. Und New Yorks Skyline wanderte zum Gutteil in die Hände Tokioter Immobilientycoons.

Für die Amerikaner ein gehöriger Schock. Erstmals seit sie zur Weltmacht aufgestiegen waren, mussten sie um ihre globale wirtschaftliche Vormachtstellung bangen. „Business Week“ ging 1988 deshalb in einem Special Report sogar so weit zu fragen, ob die US-Volkswirtschaft überhaupt noch zu retten oder wie jene der einstigen Weltmacht Großbritannien dem Niedergang geweiht sei. Wenige Jahre später war der Spuk wieder vorbei. Die japanische Blase platzte mit einem lauten Knall, von dem sich die asiatische Nation auch gut 25 Jahre später immer noch nicht erholt hat.

Nach der Jahrtausendwende wuchs jedoch erneut ein Konkurrent heran: China. (Europa konnte nie auch nur ansatzweise die einst vollmundig angekündigte Lissabon-Strategie umsetzen und den USA gefährlich werden.) Wie einst die Japaner überschwemmten nun die Chinesen den Westen mit Produkten. Das dabei verdiente Geld wurde ebenfalls wieder in den USA investiert, großteils zwar nicht mehr direkt in Gebäude und Firmen, sondern indirekt in Form von Staatsanleihen.

Schon aufgrund seiner schieren Größe ist China ein relevanterer Spieler, als es Japan je war. 2015 konnte das Reich der Mitte die USA beim BIP nach Kaufkraftparitäten erstmals als größte Volkswirtschaft der Welt überholen. Dennoch waren die erneuten Abgesänge auf den Untergang der USA wieder einmal verfrüht. So wackelt das chinesische Modell einer marktwirtschaftlichen Diktatur bereits bedrohlich. Und bei den relevanten Zukunftsbereichen– Digitalisierung, künstlicher Intelligenz, sozialen Netzwerken – sind es nach wie vor US-Firmen, die das globale Geschehen dominieren.


Handeln, nicht reden. Bestes Beispiel dafür ist der Elektroautopionier Tesla. In einer Zeit, in der bei den etablierten Herstellern in Europa oder Asien noch darüber diskutiert wurde, ob alltagstaugliche Elektroautos überhaupt schon gebaut werden können, brachte das erst wenige Jahre zuvor gegründete Unternehmen solche bereits auf die Straßen. Nun beschäftigt sich die ganze Industrie mit der Frage, wie selbstfahrende Autos funktionieren könnten. Tesla ist erneut einen Schritt weiter und hat seine Fahrzeuge bereits mit einem ersten System für autonomes Fahren ausgestattet.

Der Kopf hinter dem Erfolg von Tesla stammt jedoch nicht aus den USA. Elon Musk ist nämlich Südafrikaner. Er kam erst fürs Studium in die USA. Google-Mitgründer und Cheftechniker Sergej Brin wiederum ist gebürtiger Russe. Und der bereits verstorbene Apple-Gründer, Steve Jobs, war Sohn eines Syrers. Das ist auch eines der Erfolgsgeheimnisse der USA. Kein anderes Land schafft es, so viele Talente aus aller Welt anzuziehen, die sich in den USA wissenschaftlich, künstlerisch oder eben wirtschaftlich verwirklichen können. Dies lässt sich auch an der Statistik ablesen: Rund 150.000 der rund einen Million Migranten, die 2015 eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in den USA erhielten, bekamen diese aufgrund ihrer beruflichen Fähigkeiten – also etwa 15 Prozent. Hierzulande beträgt dieser Wert laut OECD lediglich rund zwei Prozent.

Die Gründe für diese höhere Attraktivität, sein Glück in den USA zu versuchen, sind vielschichtig. So herrscht dort allgemein eine unternehmerfreundliche Kultur. Anders als vielfach in Europa ist Ausprobieren von der Gesellschaft erwünscht und Scheitern erlaubt. Zudem ist die Sprachbarriere zum Englischen für viele Menschen einfacher zu nehmen. Außerdem haben die USA den attraktivsten Binnenmarkt der Welt. Wer es dort geschafft hat, kann es überall schaffen, heißt es nicht ganz falsch. Aber auch bereits etablierte Unternehmen reagieren in den USA dynamischer auf neue Konkurrenten und geänderte Voraussetzungen. Ein Beispiel dafür ist der Elektronikkonzern Cisco, der seine technologische Ausrichtung ständig anpasst. Das Unternehmen baut dabei jedes Jahr Tausende Beschäftigte ab, hat am Ende des Jahres aber dennoch mehr Mitarbeiter als zu Jahresanfang, weil neue Bereiche aufgebaut werden.

Dass mit den USA auch in Zukunft zu rechnen sein wird, dafür sorgt nicht zuletzt auch die Demografie. Denn während die meisten Länder Europas, aber auch China aufgrund seiner Ein-Kind-Politik in den kommenden Jahrzehnten in eine massive Überalterung stolpern und sogar schrumpfen werden, können die USA dank einer Fertilitätsrate von knapp unter zwei Kindern je Frau auch ohne Zuwanderung ihre Bevölkerungszahl nahezu stabil halten. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass auch nach dem nächsten vorhergesagten Niedergang Amerikas die USA schlussendlich wieder ganz oben stehen werden?

Zahlen

15Prozent aller Zuwanderer, die 2015 eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhielten, bekamen diese aufgrund ihrer beruflichen Fähigkeiten.

7der zehn weltgrößten Techunternehmen (gemessen an Umsatz, Gewinn, Assets und Marktkapitalisierung) stammen nach wie vor aus den USA. Nur Samsung, Foxconn und Taiwan Semiconductor konnten die US-Dominanz ein wenig reduzieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2016)

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