Gemeinden laufen die Sozialkosten davon

(c) Bilderbox
  • Drucken

Die finanzielle Lage der heimischen Gemeinden ist relativ entspannt, die Verschuldung unter Kontrolle. Die hohe Arbeitslosigkeit und die Migrationskrise lassen allerdings die Kosten für die Mindestsicherung explodieren.

Wien. Durch die Einrichtung des bundesweiten Pflegefonds wurden sie zeitweise eingebremst, im Vorjahr sind sie jedoch wieder regelrecht explodiert: die Ausgaben für soziale Wohlfahrt. 2015 waren sie mit einem Zuwachs um 7,4 Prozent der mit Abstand größte Kostentreiber für die heimischen Gemeinden. Das geht aus dem gestern, Montag, präsentierten jüngsten Gemeindefinanzbericht der Kommunalkredit hervor.

Geschuldet war dies überwiegend der schlechten Arbeitsmarktsituation und dem deutlichen Anstieg der Zahl der Asylberechtigten, heißt es im Bericht. Beides habe die Ausgaben für die Mindestsicherung stark steigen lassen. Besonders gravierend: Wien, wo die Zahl der Migranten besonders kräftig steigt, ist in diesen Daten gar nicht enthalten. Wien firmiert als Bundesland und ist im Gemeindefinanzbericht deshalb ausgegliedert. Die Asylkrise dürfte wohl auch dazu beigetragen haben, dass der Ausgabenposten „Öffentliche Ordnung“ im Vorjahr mit 2,8 Prozent die zweithöchste Steigerung bei den Gemeindeausgaben verzeichnete.

Nur die Verwaltung kostet noch mehr

1,76 Mrd. Euro sind die Ausgaben für soziale Wohlfahrt bereits der zweitgrößte Ausgabenbrocken der Gemeinden hinter der Verwaltung (1,86 Mrd. Euro). Schon heuer dürften die Sozialkosten die Verwaltungskosten überholen, denn Letztere haben die Kommunen unterdessen gut im Griff: Sie sind 2015 nur um 0,3 Prozent gestiegen.

Abgesehen von den aus dem Ruder laufenden Sozialkosten stehen die heimischen Gemeinden nicht so schlecht da: Der Überschuss aus der laufenden Gebarung liegt mit 1,73 Mrd. Euro auf dem höchsten Stand seit der Jahrtausendwende. Die sogenannte freie Finanzspitze (Gebarungsüberschuss abzüglich Schuldendienst) lag mit 631,5 Mio. Euro sogar um 16,3 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Rücklagen konnten um 3,7 Prozent auf 6,18 Mrd. Euro angehoben werden. Auch das ist der höchste Stand seit 2000. Für die Maastricht-Budgetrechnung des Bundes lieferten die Gemeinden einen Überschuss von 176 Mio. Euro ab.

Einen nicht unwesentlichen Teil an der guten Entwicklung hatte freilich auch die EZB mit ihrer Nullzinspolitik: Die Zinsbelastung der Kommunen sank allein 2015 um 16,3 Prozent. Seit der Zinsspitze im Jahr 2008 ging der Durchschnittszinssatz der Gemeindeschulden von über vier auf rund 1,5 Prozent zurück. Die jährliche Zinsenlast sank damit von 450 Mio. Euro auf knapp 165 Mio. Euro.

Allerdings haben die Gemeinden auch ihre Verschuldung und ihre Haftungsverpflichtungen zurückgedreht. Waren die Kommunen 2010 noch mit 11,68 Mrd. Euro verschuldet, so sind es jetzt noch 11,256 Mrd. Euro. Die Haftungen, die ihren Höchststand 2013 mit 6,44 Mrd. Euro erreicht haben, liegen jetzt bei 6,18 Mrd. Euro.
Folge der finanziellen Entspannung: Die Gemeinden benötigen für ihre Investitionen seit 2011 keine neuen Schulden mehr, obwohl das Investitionsvolumen seither von rund 1,5 auf 2,15 Mrd. Euro hochgefahren wurde. Entsprechend zufrieden zeigten sich die Gemeindevertreter. Kommunalkredit-Vorstandschef Alois Steinbichler meinte bei der Präsentation des Berichts, die Gemeinden hätten „diszipliniert gewirtschaftet“ und damit einen „wichtigen Beitrag zur Konsolidierung der gesamtstaatlichen Finanzen“ geleistet.

Sorgen bereitet freilich die eingangs erwähnte Steigerung bei den Ausgaben für die soziale Wohlfahrt: Hier gebe es starke Zuwächse, die Gemeinden hätten in diesem Punkt aber „keine Steuerungsmöglichkeiten“, bemängelte Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer. (ju/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Finanzen: Gemeinden erwarten "Nikolaus, nicht Krampus"
Politik

Finanzen: Gemeinden erwarten "Nikolaus, nicht Krampus"

Die österreichischen Gemeinden erwirtschafteten im Vorjahr den höchsten Überschuss seit der Jahrtausendwende. Sorgen bereiten aber steigende Sozial- und Gesundheitskosten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.