Hawaii vor Bankrott: Trouble in Paradise

(c) AP (Michael Darden)
  • Drucken

Das Inselparadies Hawaii steht vor dem finanziellen Ruin: Die Touristen bleiben aus, Fluglinien sperren zu, die Steuereinnahmen sinken, und die Hotels haben nicht mehr genug Gäste, um die Kredite bedienen zu können.

Die Worte klingen wie eine Einladung an einen Jungbrunnen: „Die frische, geblümte Luft wird Ihnen Energie verleihen. Das warme, ruhige Wasser wird Sie erfrischen.“ Aber der Hauptgrund, nach Hawaii zu kommen, ist laut Werbung des Tourismusverbandes ein ganz einfacher: „Es gibt auf dieser Welt keinen schöneren Ort.“

Und, man registriert es überrascht, nur wenige billigere. Die Wirtschaftskrise setzt dem abgelegenen US-Bundesstaat mitten im Pazifik zu – mit dem Effekt, dass die Zimmerpreise im Keller sind. Allerdings fühlt man sich einsam: Viele Hotels stehen praktisch leer, an den Stränden hat man so viel Platz wie noch nie.

Man sollte sich aber beeilen, wenn man von den Sonderangeboten Gebrauch machen will: Denn wie viele der Hotels in ein paar Monaten noch offen sind, ist ungewiss. Die vom Tourismus getriebene Wirtschaft Hawaiis steuert nämlich auf eine veritable Krise zu.


Bis über beide Ohren verschuldet. Tatsächlich hat das Platzen der Immobilienblase den 50. Bundesstaat der USA besonders hart getroffen. Das schnelle Wachstum der Branche zu Beginn des Jahrtausends lockte zahlreiche Investoren und Immobilienentwickler an. Von 2004 bis 2008 wechselten hunderte Hotels die Besitzer, tausende Zimmer wurden renoviert, Anlagen in gewaltigen Bauprojekten neu aus dem Vulkanboden Hawaiis gestampft.

Eines der Hauptprobleme dabei: Noch stärker als in den Metropolen des US-Festlands wurde dabei auf Fremdfinanzierung gesetzt. Teilt man den Betrag der aufgenommenen Hypotheken auf die Zahl der Hotelzimmer auf, ist die Verschuldung der Branche auf Hawaii deutlich höher als in jedem anderen Bundesstaat. So bringt es jedes Hotelzimmer auf Hawaii laut einer Studie des Beratungsunternehmens Real Capital Analytics im Durchschnitt auf 23.256 Dollar Schulden. Zum Vergleich: In Kalifornien sind es 5083 Dollar, in Florida, wo vor allem in Miami gigantische Bauprojekte realisiert wurden, 5345 Dollar.

Solange der Tourismus blühte, konnten die Hypotheken mit den Einnahmen problemlos bedient werden. Die Lage im Pazifik zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, den USA und Japan, ist ein Vorteil, der Hawaii zu einer beliebten Urlaubsdestination für Reiche machte. Doch seit Jahresbeginn bleiben die Touristen aus. Mit dem Sparen haben die Menschen beim Urlaub begonnen. Von diesem Phänomen in Zeiten einer Rezession sind die Inseln stark betroffen, weil die Flüge lang und teuer und die Kosten vor Ort hoch sind.

Aktuell steht mehr als ein Drittel der Hotelzimmer leer, 2005 lag die Rate der belegten Zimmer noch bei mehr als 80 Prozent. Der durchschnittliche Preis für ein Hotelzimmer betrug vor der Krise 200 Dollar pro Nacht, jetzt liegt er bei unter 150 Dollar. Doch selbst die Reduktion der Zimmerpreise um 25 Prozent konnte nicht mehr Gäste auf die Inselgruppe locken.

Die Konsequenz dieser Mischung aus hohen Schulden, fehlenden Gästen und sinkenden Zimmerpreisen liegt auf der Hand: Viele Hotelbesitzer können ihre monatlichen Raten für aufgenommene Hypothekarkredite nicht mehr bezahlen. Es folgt das sogenannte „foreclosure“, die vorzeitige Auflösung des Kreditvertrags, bei dem die Bank in den Besitz des Gebäudes gelangt. Im September 2009 war dies in 969 Fällen der Fall, im Vergleichsmonat des Vorjahres lag diese Zahl bei 594. Bald wird es mehr Banken geben, die als Hotelbetreiber auftreten, als Touristiker.

Von der Krise bleiben auch große Namen nicht verschont, etwa das Ritz-Carlton in Kapalua Bay. Die Nobelherberge gehörte einem Immobilienkonsortium, bis es im April die Raten nicht mehr bezahlen konnte. Jetzt wird das Hotel von Lehman Brothers beziehungsweise deren neuem Eigentümer Barclays geführt.

„Die Fakten sind nicht gerade ermunternd. Hawaii hat im Moment eine ganze Reihe von Problemen am Hals“, sagte David Carey, Präsident einer aus 30 Hotels bestehenden Vereinigung. Hawaii ist wie kaum ein anderer Staat vom Tourismus abhängig. Der Fremdenverkehr trägt ein Viertel zur Wirtschaftsleistung bei – so viel wie kein anderer Industriezweig.

Arbeitslosigkeit war bis vor einem Jahr ein unbekanntes Phänomen. Zu Beginn des Jahres 2008 lag die Arbeitslosenrate bei unter zwei Prozent. Wer einen Job suchte, fand auch einen, meist in der Tourismusindustrie. Mittlerweile sind 7,5 Prozent der Einwohner Hawaiis ohne Arbeit, und die Politik sieht sich mit einem finanziellen Problem konfrontiert: Die Steuereinnahmen sind im abgelaufenen Quartal um zehn Prozent oder 112 Mio. Dollar gesunken. Ein großer Teil dieses Rückgangs ist auf die geringeren Einnahmen der Hotelindustrie zurückzuführen. Doch auch der Konsum leidet, weil ein Gutteil der Bevölkerung ohne Arbeit ist und deshalb weniger Geld ausgibt.


Flüge sind teuer. Auch der frühere geografische Vorteil des Inselstaates ist mittlerweile dahin. Viele Japaner bevorzugen es, in Asien Urlaub zu machen, und Amerikaner nützen vermehrt Billigangebote aus Mexiko oder der Karibik. Die Tourismusindustrie Hawaiis kann mit Billigangeboten nur bedingt locken, weil die Flüge aufgrund der großen Entfernungen teuer sind.

Billige Tickets wären ein Verlustgeschäft für die Fluglinien, deshalb reduzieren diese die Frequenz ihrer Flüge vom amerikanischen Festland in die Hauptstadt Hawaiis, Honolulu. Die beiden einheimischen Fluggesellschaften Aloha Airlines und ATA haben im Vorjahr den Betrieb überhaupt eingestellt. Und auch die drei für den Transfer zwischen den Inseln zuständigen lokalen Fluglinien kämpfen mit Problemen. „Mokulele Airlines“ und „go!“ schlossen sich zusammen, bleibt nur noch „Hawaiian Airlines“, die ebenfalls zwischen den Inseln verkehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.