Swift: Europäer knicken vor USA ein

(c) AP (Hermann J. Knippertz)
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Deutschland gibt seinen Widerstand gegen das Abkommen über die Herausgabe von Banküberweisungsdaten zwecks Terrorbekämpfung auf, Österreich dürfte nun folgen.

BRÜSSEL. Am kommenden Montag werden die Innenminister der EU-Staaten in Brüssel darin übereinkommen, mit den USA ein Abkommen über die Herausgabe von Banküberweisungsdaten an Geheimdienste und Sicherheitsbehörden zu schließen. Nach Finnland und Frankreich dürfte auch Deutschland seine datenschutzrechtlichen Bedenken beiseitegeräumt haben. Die Tageszeitungen „Welt“ und „Handelsblatt“ berichteten am Mittwoch übereinstimmend, dass sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der Abstimmung am Montag seiner Stimme enthalten wolle.

Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) habe sich noch nicht festgelegt, teilte ihr Sprecher Gregor Schütze der „Presse“ mit. „Wir wollen einen Kompromiss“, sagte er. Wie dieser aussehen könnte, hängt vom Ergebnis des Treffens der EU-Botschafter in Brüssel ab, das sich am Donnerstag mit diesem Abkommen befasst. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Österreich allein seinen Widerstand aufrechterhält.

SWIFT

Swift steht für "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication" und betreibt ein Rechnernetz, mit der internationale Überweisungen durchgeführt werden. Involvierte Konten werden über den "Swift-Code" (auch: BIC-Code) identifiziert.

Barroso: 5400 Verdachtsfälle aufgezeigt

Damit wird am 1. Februar 2010 ein einjähriges Abkommen in Kraft treten, das regelt, wie Geheimdienste auf beiden Seiten des Atlantik auf Überweisungsdaten zugreifen können, um die Finanzierung von Terrorismus zu unterbinden. Das liegt überwiegend im Interesse der USA, die seit 2002 auf zweifelhafter rechtlicher Grundlage Einsicht in die Daten des belgischen Finanzdienstleisters Swift genommen haben.

Das Abkommen gilt deshalb nur für ein Jahr, weil der Lissabon-Vertrag dem Europaparlament in den Politikbereichen Justiz und Inneres neue Mitentscheidungsbefugnisse verleiht, sprich: das Vetorecht. Der Vertrag tritt am 1. Dezember in Kraft, das Ratstreffen findet am 30. November statt. Diese wichtige Entscheidung noch schnell am Tag durchzuwinken, bevor das gegenüber dem Swift-Abkommen kritisch eingestellte Parlament das Vetorecht bekommt: Das macht keine gute Optik. Entsprechend verärgert reagierten vor allem die liberalen EU-Mandatare am Mittwoch auf das Einknicken der Minister.

Darum ist zu erwarten, dass die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament über eine langfristiges Abkommen ziemlich konfliktgeladen verlaufen werden. Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte am Mittwoch vor dem Plenum des Parlaments in Straßburg, dass er einen Vorschlag für einen solchen Vertrag schon im Jänner vorlegen wolle.

Gleichzeitig verteidigte Barroso das provisorische Abkommen. Europa sei unter den Ersten gewesen, die die USA zur Schließung von Guantánamo aufgefordert hätten, „gleichzeitig müssen wir an einem Strang ziehen, wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht“. Die USA hätten durch die Auswertung von Swift-Daten europäische Behörden in den vergangenen Jahren über 5400 Verdachtsfälle von Terrorismusfinanzierung informiert. Dadurch seien konkrete Anschläge verhindert worden. Woher Barroso diese Angaben bezogen hat, konnte seine Sprecherin am Mittwoch bis Blattschluss der „Presse“ nicht erklären. Ebenso nicht, in wie vielen dieser 5400 Verdachtsfälle es zu konkreten strafrechtlichen Ermittlungen gekommen ist.

Heikle Weitergabe an Drittstaaten

Die „Financial Times Deutschland“ zitierte am Dienstag ein Papier, wonach die Verhaftung der „Sauerland-Gruppe“ islamistischer Terroristen auf die Auswertung von Swift-Daten zurückzuführen sei.

Besonders heikel ist die Frage, ob US-Geheimdienste die Daten an Drittstaaten im Kampf gegen den Terrorismus weitergeben dürfen, ohne vorab in Europa um Erlaubnis zu fragen. Laut Bericht der „Financial Times“ vom Mittwoch kann man auf Moskauer Märkten DVDs mit Polizei- und Steuerdaten um rund 100 Dollar kaufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2009)

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