Griechen-Hilfe droht deutsche Klage

(c) Reuters (Yves Herman)
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Professoren planen Verfahren zum Austritt Deutschlands aus Eurozone. Im Fall der Auszahlung finanzieller Hilfen an die griechische Regierung würden sie ohne Verzug auf den Austritt Deutschlands aus der Währungsunion klagen.

BRÜSSEL. Über dem Hilfspaket für Griechenland, auf das sich die Regierungschefs der übrigen 15 Euroländer am Donnerstag nach wochenlangem Ringen geeinigt haben, schwebt das Damoklesschwert einer Beschwerde vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe. In einem Gastbeitrag in der „Financial Times“ (Freitagsausgabe) erklären vier renommierte deutsche Universitätsprofessoren, dass sie im Fall der Auszahlung finanzieller Hilfen durch die anderen Euroländer an die griechische Regierung ohne Verzug auf den Austritt Deutschlands aus der Währungsunion klagen würden.

Die „Väter“ des Bail-out-Verbots

Bei den vier Professoren handelt es sich um Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty. Auf ihre Verfassungsklagen gehen die wegweisenden Entscheidungen des BVerfG aus den Jahren 1993 und 1998 zur Einführung des Euro in Deutschland zurück. Deren Quintessenz besteht darin, dass Deutschland die Währungsunion verlassen muss, wenn andere Euroländer die budgetäre Disziplin derart missachten, dass die deutschen Steuerzahler für ihre Schulden einstehen müssten. Dass die besagte No-Bail-out-Regel als Artikel 125 im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) steht (der zweiten Rechtsbasis der EU neben dem Lissabon-Vertrag), ist Ergebnis dieser Verfahren.

Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone sehen ihr nun in Grundzügen beschlossenes gemischtes System aus freiwilligen bilateralen Darlehen der anderen 15 Euroländer und Mitteln des Internationalen Währungsfonds (IWF) als rechtskonform an. „Das Ziel dieses Mechanismus wird nicht darin bestehen, Finanzmittel zu durchschnittlichen Zinssätzen des Eurowährungsgebiets bereitzustellen, sondern darin, Anreize für eine schnellstmögliche Rückkehr an den Finanzmarkt zu risikogerechten Preisen zu setzen“, heißt es in der Erklärung der Euroländerchefs. „Die Zinssätze werden(...)kein Subventionselement enthalten.“

Was das aber genau für die Festsetzung der Zinsen bedeutet, die Griechenland für die Inanspruchnahme dieses Pakets zahlen müsste, ist nach derzeitigem Stand der Dinge unklar. Unklar ist auch, wann der Fall eintritt, dass „die Finanzierung über den Markt nicht ausreicht“ (so steht es in der Erklärung) und das Hilfspaket geschnürt wird. Derzeit findet Athen Käufer für seine Anleihen, aber zu einem doppelt so hohen Zinssatz, wie ihn Berlin bezahlen muss.

„Es ist nicht unsere Arbeitshypothese, dass dieser Mechanismus aktiviert wird“, sagte Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag vor Journalisten. „Hypothetische Fragen beantworte ich nicht“, erklärte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy auf die Frage, ob der Anlassfall auch darin bestehen könnte, dass Griechenland weiterhin so hohe Zinsen zahlen muss.

Die Euroländer müssten jedenfalls den Löwenanteil der Darlehen gewähren. Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies in Brüssel rechnet in einem Papier vor, dass der IWF wegen seiner Statuten in den nächsten Monaten nur drei bis fünf Mrd. Euro beisteuern könnte. „Diese Summe ist aber nur ein Bruchteil der Summe, die das Land in derselben Periode refinanzieren muss.“

Merkel will EU-Vertragsänderung

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wiederholte am Freitag ihre Forderung nach einer Änderung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. „Dass ein Land Geld in dem Moment zahlen muss, in dem es kein Geld hat, ist nicht adäquat“, sagte sie mit Verweis auf die derzeitigen Sanktionen für „Budgetsünder“. „Europa ist heute noch nicht in der Lage, so ein Problem allein zu lösen. Ich bin der Meinung, dass wir an einer Vertragsänderung nicht vorbeikommen, wenn sich die Grundlagen als nicht ausreichend erweisen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2010)

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